Fürst
Alexander
dankt ab
Die
Battenberger
602 DER VERHÄNGNISVOLLE HANDKUSS
nicht schwer gefallen, seine Schwester, die deutsche Kronprinzessin, auf
die er großen Einfluß ausübte, für dieses Heiratsprojekt zu entflammen.
Aber das Mißtrauen des Fürsten Bismarck gegen die „Battenbergerei“
wurde durch die Gefahr einer Heirat der Tochter des künftigen deutschen
Kaisers mit Alexander Battenberg noch erhöht.
Inzwischen hatte Fürst Alexander unter fortgesetzten Ovationen der
galizischen Polen die Rückreise nach Bulgarien angetreten. In Bukarest
wurde er von dem rumänischen Ministerpräsidenten Bratianu, in der rumä-
nischen Grenzstadt Giurgewo von Stambulow erwartet und auf bul-
garischem Boden in Rustschuk mit Jubel begrüßt. Die fremden Konsuln,
mit Ausnahme des russischen, waren zu seinem Empfang erschienen. Der
deutsche Konsul, Herr von Saldern, hatte sich von der allgemeinen Be-
geisterung für den Fürsten Alexander so sehr anstecken lassen, daß er ihm
unter Tränen die Hand küßte. Saldern, mit dem ich vierzehn Jahre früher
an der Metzer Regierung als Referendar zusammen gearbeitet hatte, war,
was man einen guten Kerl nennt, das heißt, er litt an einer gewissen, in
Deutschland ziemlich verbreiteten sentimentalen Gutmütigkeit, die bis-
weilen zur Verkennung politischer Realitäten führt. Sein Handkuß kam
unglücklicherweise in die Zeitungen und trug ihm einen scharfen Verweis
seines großen Chefs ob solcher „blöden Sentimentalität“ ein. Fürst Alex-
ander richtete von Rustschuk aus ein de- und wehmütiges Telegramm an
den Zaren, der hochmütig ablehnend antwortete. Bei dem Einzug des
Battenbergers in Sofia fehlte nicht nur der russische, sondern infolge direkter
Weisung aus Berlin auch der deutsche Vertreter. Fürst Alexander verlor
die Nerven. Er berief einen Ministerrat, dem er erklärte, er sei unwiderruf-
lich entschlossen, auf seinen Fürstenhut zu verzichten. Er befahl die Frei-
lassung des nach dem Attentat vom 21. August verhafteten Führers der
russophilen Partei, Dragan Zankow, richtete eine Regentschaft unter
Stambulow ein, erließ eine schöne Proklamation an das bulgarische Volk
und reiste nach Wien ab. Die Battenberg-Episode in Bulgarien war vorüber.
Woher stammten die Battenberger, deren Ambitionen während einiger
Zeit dem Fürsten Bismarck nicht geringe Sorgen bereiteten und sogar den
europäischen Frieden bedrohten ? Einer der frechsten und gleichzeitig dem
Gemeinwohl schädlichsten Günstlinge, die das an Favoriten reiche acht-
zehnte Jahrhundert sah, war der sächsische Minister Graf Heinrich Brühl.
Er war schon der Lieblingspage Augusts des Starken gewesen. Unter
August III. avancierte er zum allmächtigen Premierminister. Namentlich
seitdem er seinem Souverän zuliebe wie dieser konvertiert hatte, wurde er der
wahre Herr von Sachsen, dessen Heer er verfallen ließ und dessen Existenz
er während des Siebenjährigen Krieges durch seine leichtsinnige Politik
gefährdete, dessen Souverän er aber für die Befriedigung seiner Luxus-