EIN AUFSTIEG 603
Liebhabereien immer Geld zu verschaffen wußte. Er hielt sich gern in un-
mittelbarer Nähe seines Kurfürsten, ohne je ein Wort zu sagen. Nur wenn
der Kurfürst, der beständig Tabak rauchte, aus der Rauchwolke an ihn die
Frage richtete: „Brühl, habe ich Geld?“, antwortete der Günstling regel-
mäßig: „Ja, Sire!““ Der Aufwand, den Brühl trieb, stand auf der Höhe der
Prachtliebe seines Souveräns. Als der Große Friedrich in Dresden einrückte,
fand er im Brühlschen Palais achthundert Schlafröcke, fünfzehnhundert
Perücken und zweitausend Paar Schuhe. Graf Heinrich Brühl hatte dreißig
Köche und zweihundert Bediente. Unter letzteren schätzte er besonders
einen Sachsen namens Haucke. In Warschau, wohin Brühl seinem Souverän
folgte, als sich dieser 1783 die polnische Königskrone aufsetzte, vermählte sich
der treue Haucke mit der Tochter eines ehrsamen deutschen Zuckerbäckers.
Den Sohn aus dieser Ehe brachte der gnädige Graf Brühl im polnischen
Kadettenkorps unter, aus dem er in das bis 1830 selbständige polnische
Heer übertrat, wo er cs bis zum General brachte. Als 1830 der große pol-
nische Aufstand ausbrach, ging die Mehrzahl der polnischen höheren
Offiziere zu den Insurgenten über. Nur wenige blieben dem Zaren treu,
. unter ihnen Haucke, der dafür von den Insurgenten niedergemacht wurde.
Das war für ihn selbst bedauerlich, eröffnete aber seinen Nachkommen die
Bahn für großen Aufstieg.
Nach der Niederwerfung des polnischen Aufstandes erschien Kaiser
Nikolaus in Warschau. Unter den Rebellen hielt er fürchterlich Mu-
sterung, aber die Treuen wurden belohnt. Der Ehe des ermordeten
Generals Haucke waren zwei Kinder entsprossen. Der Sohn wurde
russischer Offizier, die Tochter Hofdame der Cesarewna, der späteren
Kaiserin Maria Alexandrowna. Bei ihr begegnete Fräulein Haucke oft dem
Bruder Ihrer Kaiserlichen Hoheit, dem Prinzen Alexander von Hessen-
Darmstadt, der ein Petersburger Eliteregiment, die Gardes-a-Cheval,
kommandierte. Zwischen beiden entspann sich ein zarter Roman. Als einmal
die Hofdame Julie Haucke hinter ihrer hohen Gebieterin in den Ballsaal
trat, meinte der Oberststallmeister Meyendorff mit der Derbbheit eines alten
Kavalleristen: „Wenn diese Hofdame eine Stute wäre, würde ich sagen:
sie ist trächtig.““ Einige Tage später warf sich Fräulein Haucke der Cesa-
rewna zu Füßen und gestand ihr, daß sie guter Hoffnung sei. Prinz Alex-
ander trat ritterlich für seine Geliebte ein. Der strenge Kaiser Nikolaus ver-
wies beide aus seinem Lande. Prinz Alexander heiratete 1851 Fräulein
Haucke und wandte sich nach Österreich, wo er als General wieder ange-
stellt wurde. Seine Gattin wurde in Hessen zuerst zur Gräfin, dann zur
Fürstin Battenberg erhoben.
Des ältesten Sohnes, der in die englische Marine eintrat und völlig zum
Engländer wurde, habe ich schon gedacht. Der zweite, Alexander, war der