Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Kaulbars 
verlangt 
Gehorsam 
604 DER MINGRELIER 
Bulgarenfürst. Die einzige Tochter Battenberg heiratete einen Grafen 
Erbach aus einem erlauchten fränkischen Geschlecht, das seinen Stamm- 
baum bis auf Eginhard und Imma, die Tochter Karls des Großen, zurück- 
führt. Der dritte Sohn, Heinrich, trat in sächsische Dienste. Ihm begegnete 
ich 1879 ın Ems, wo ich auch seine Eltern kennenlernte. Der Prinz Alex- 
ander von Hessen war ein durch und durch vornehmer und dabei liebens- 
würdiger Herr, die Fürstin Julie eine sehr kluge, sehr ehrgeizige Frau. Den 
Sohn überredete ich, unterstützt von meinem Freunde, dem Prinzen 
Heinrich XVIII. Reuß, den sächsischen Dienst mit dem preußischen zu 
vertauschen. Ich setzte ihm selbst das Schreiben an den König von Sachsen 
auf, in dem er um Entlassung aus dem sächsischen Dienst bat. Er trat zuerst 
bei gem Königshusaren-Regiment in Bonn ein, dessen Reize ich ihm in allen 
Farben geschildert hatte. Von dort wurde er in die Gardes-du-Corps versetzt 
und als Rittmeister bei diesem schönen Regiment von der alten Königin 
Victoria als Gatte für ihre jüngste Tochter Beatrice ausersehen. Er avan- 
cierte als solcher zur Königlichen Hoheit, erhielt den Hosenbandorden und 
wurde Governor und Captain der Insel Wight, Governor von Carlsbrooke 
Castle. Er starb schon 1896 auf einer Expedition in Westafrika. Seine 
Tochter wurde zwölf Jahre später Gemahlin des Königs Alfons XIII. und 
Königin von Spanien. Wenn das der gute Kammerdiener Haucke erlebt 
hätte! 
In Sofia traf nach der Abreise des Battenbergers als Vertreter des 
Zaren der General Kaulbars ein. Kaulbars gehörte zu jenen Deutsch- 
russen, die alle dem zaristischen System eigenen Fehler: Brutalität, Hof- 
fart, Willkür, mit deutscher Gründlichkeit ins Unerträgliche steigerten. 
Er trat in Bulgarien im Stil der Paskewitsch, Berg, Murawjew und anderer 
nach Polen entsandter Prokonsuln auf. Die erste Ansprache, die er an die 
bulgarische Regierung riehtete, endigte mit den Worten: „Die Bedingungen, 
welche ich beauftragt bin den Bulgaren anzuzeigen, sind sehr kategorisch. 
Der Zar verlangt das vollständige Vertrauen und absoluten Gehorsam.“ 
Die Rundreise, die Kaulbars durch Bulgarien antrat, war ein jämmerlicher 
Mißerfolg. Die Bevölkerung beobachtete gegenüber dem Vertreter des 
Zaren überall eine kühle und ablehnende Haltung. Nun schlug man von 
Petersburg aus der bulgarischen Regierung als Thronkandidaten den 
Fürsten Nikolaus Dadian von Mingrelien vor. Giers, Vlangaly und Sinowjew 
verhehlten mir nicht, daß sie den Mingrelier für einen „pauvre Sire“ hielten, 
der außer dem Umstand, daß er ein Schwiegersohn des russischen General- 
adjutanten Adlerberg sei, wenige Atouts in seinem Spiel habe. Die bul- 
garische Regentschaft erklärte sofort, das bulgarische Volk würde sich nie 
einen Kaukasier aufdrängen lassen, der sein eigenes Vaterland für Geld an 
Rußland verkauft habe.
	        
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