BISMARCK ÜBER FRIEDRICH III. 619
kanzlers sagte die Königin zu ihrem Botschafter, Sir Edward Malet: „I
don’t understand why my daughter could not get on with Prince Bismarck.
Ithink him a very amiable man, aud we had a most charming conversation.““
Am Abend des Tages, wo meine Frau zum letztenmal den Kaiser
Friedrich sah, war sie mit mir beim Fürsten Bismarck zu Tisch geladen.
Der Kanzler frug sie, die neben ihm saß, ob sie den Kaiser gesehen und wie
sie ihn gefunden habe. Als meine Frau ihm ihren Besuch am Krankenlager
erzählte, wurde sie von einem Weinkrampf befallen. Mit einem wehmütigen
und dabei gütigen Ausdruck, den ich nie vergessen werde, legte Fürst
Bismarck seine große Hand auf ihre kleine Hand und sagte: „Schämen Sie
sich nicht Ihrer Tränen. Der arme Kaiser verdient Tränen nicht nur
menschlich, auch politisch ist sein Tod ein Unglück. Es ist immer schlimm,
wenn in der dynastischen Kette ein Glied fehlt.““ Herbert Bismarck dachte
in dieser Beziehung anders als sein Vater. Herbert schwärmte für den
Prinzen Wilhelm und sagte mir nach Tisch: „Ich verstehe, daß Sie und
Ihre Frau durch das furchtbare Schicksal des Kaisers erschüttert sind, das
ja auch meinem Vater nahegeht. Aber im Gegensatz zu meinem Vater
halte ich sein Ausscheiden politisch für ein Glück. Bei dem Einfluß, den
seine Frau auf den Kaiser hat, und bei ihrer total englischen Gesinnung
würde uns eine längere Regierung des Kaisers Friedrich in Abhängigkeit
von England bringen, und das wäre das größte Unglück, das uns außer-
und überdies auch innerpolitisch treffen könnte.“
Als ich mich bei meinem bisherigen Chef dem Botschafter von Schweinitz
verabschiedete, hatte er mir gesagt: „Es ist ein heißer Boden, auf dem Sie
als Gesandter in Rumänien debütieren sollen.“ In der Tat verdankte ich
meine Entsendung nach Rumänien dem Umstande, daß dort nicht nur die
Dynastie Hohenzollern, sondern auch das bisherige freundschaftliche Ver-
hältnis zu Deutschland und dem Dreibund gefährdet erschien. Der lang-
jährige Leiter der rumänischen Politik, Juan Bratianu, hatte sich durch
die erbitterten und zügellosen Angriffe, die von allen Seiten gegen ihn
gerichtet wurden, und die zunehmende revolutionäre Bewegung im Lande
genötigt gesehen, im März zurückzutreten. In der Hauptstadt Bukarest
und in anderen großen Städten war es zu schweren Tumulten gekommen.
Wenige Tage vor meinem Eintreffen in Bukarest hatte ein Stadt-
sergeant zwei Gewehrschüsse auf ein Fenster des königlichen Palais
abgegeben, an dem der Schreibtisch des Königs stand. Die Glasscheiben
waren zertrümmert worden, der König blieb unverletzt. Mit der ihm
eigenen Ruhe hatte König Carol sofort erklärt, daß es sich nur um die Tat
eines Irrsinnigen handeln könne, die keine politische Bedeutung habe, und
daß der Vorfall dementsprechend behandelt werden solle. König Carol war
einer der besten Menschen und weisesten Regenten, denen ich begegnet
Die Lage in
Rumänien
König Carol