Antritts-
audienz
620 EIN WEISER KÖNIG
bin, und ich hatte in meinem Leben mit vielen Fürsten zu tun. Als ich dem
König im Frühjahr 1888 mein Beglaubigungsschreiben überreichte, sagte er
mir, er komme mir mit Vertrauen entgegen. Ich bin stolz darauf, daß er
mir dieses Vertrauen bis zu seinem Tode bewahrt hat. Seine Stärke lag in
seiner Geduld, in seiner Zähigkeit, seiner Pflichttreue auch im Kleinen, der
hohen Auffassung, die er bei schlichtem Auftreten von seinem fürstlichen
Berufe hatte. Er hat sich nie um die Angriffe, Verdächtigungen und Schmä-
hungen gekümmert, mit denen er namentlich in der ersten Hälfte seiner
Regierungszeit in seinem Lande überschüttet wurde. Er behandelte alle
rumänischen Politiker gleichmäßig, ohne Sympathie noch Antipathie, nur
nach ihrer politischen Nützlichkeit. Er akzeptierte als Minister selbst solche
Politiker, die ihn persönlich bekämpft und beleidigt hatten. Aber er ließ
ohne Bedenken auch Bratianu fallen, dem er seine Krone verdankte, als
dies ihm politisch ratsam erschien. Er regierte streng parlamentarisch,
und doch übte er den größten Einfluß nicht nur auf den Gang der aus-
wärtigen Geschäfte, sondern auch auf die innere Politik seines Landes aus.
Schon bei meiner Antrittsaudienz gab er mir mit der ihm eigenen
Objektivität ein Bild der auswärtigen Lage. Mit Deutschland in guten, ja
intimen Beziehungen zu stehen, sei für Rumänien nicht schwierig. Wohl
bestünden in Rumänien, das stolz darauf sei, im Gegensatz zu seinen
slawischen Nachbarn eine lateinische Nation zu sein, lebhafte Sympathien
für Frankreich. Die meisten Rumänen der höheren Stände hätten eine
französische Erziehung erhalten. Daß aber die Franzosen ihre Begeisterung
für Rußland so leidenschaftlich und lärmend zur Schau trügen, wirke ab-
kühlend auf die Rumänen. Man habe in Rumänien noch nicht vergessen,
daß ihm Rußland zum Dank für die ihm im Russisch-Türkischen
Kriege in schwerer Stunde geleistete Unterstützung das fruchtbare, von
Rumänen bewohnte Bessarabien geraubt habe. „Das Verhältnis zu
Rußland“, führte der König aus, „ist ein schwieriges Problem unserer aus-
wärtigen Politik. Wir wollen Rußland nicht reizen. Wir wollen sogar alles
tun, was möglich ist, um einem Kriege mit Rußland auszuweichen. Aber
wir brauchen gegenüber der uns von dem mächtigen Rußland drohenden
Gefahr die Anlehnung an die Zentralmächte.“
Im Sinne dieser unserer ersten Unterredung habe ich während meines
fast sechsjährigen Aufenthaltes in Rumänien manches ähnliche Gespräch
mit dem weisen König gehabt. Er wiederholte immer, daß das Zusammen-
gehen Rumäniens mit dem Dreibund nur so lange möglich sei, wie die
Leitung des Dreibundes zweifellos und offensichtlich in deutschen Händen
liege. Deutschland und Rumänien hätten keinerlei widerstrebende Inter-
essen. Es gebe kaum zwei Länder, zwischen denen eine aufrichtige Freund-
schaft natürlicher und gegebener wäre. Ganz anders stünde es mit Österreich-