Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

MOLDAU UND WALLACHEI 621 
Ungarn. Die Art und Weise, wie Millionen von Rumänen im Reiche der 
Stefanskrone unterdrückt und hier und da mißhandelt würden, müsse 
in Rumänien böses Blut machen. Wenn es weder ein Russisches noch ein 
Deutsches Reich gäbe, würde ein Zusammenstoß zwischen Rumänen und 
Magyaren ziemlich unvermeidlich sein. Da aber die Rumänien von Rußland 
drohenden Gefahren ernsthafter seien als die Unbequemlichkeiten mit 
der habsburgischen Monarchie, als der Ärger und der Schmerz über die 
schlechte Behandlung der ungarländischen Rumänen, suche Rumänien 
Schutz und Sicherheit bei der Tripel-Allianz. Voraussetzung aber sei und 
bleibe, daß Deutschland die habsburgische Monarchie führe, nicht um- 
gekehrt. Es sollte viele Jahre später der große Schmerz des Königs Carol 
werden, daß am Ende seiner Regierung und am Abend seines Lebens die 
Ungeschicklichkeit, mit der sich die Berliner Politik von der Wiener in den 
Weltkrieg verstricken ließ, es ihm unmöglich machte, wie er das fast ein 
halbes Jahrhundert gehofft hatte, sein Land im Kriege an die Seite der 
Mittelmächte zu führen. 
Nach dem Rücktritt von Bratianu hatte König Carol im März 1888 die 
Jung-Konservativen, die sogenannten Junimisten, an die Regierung be- 
rufen. Sie waren zweifellos die politisch und moralisch am höchsten 
stehenden Politiker Rumäniens. Aber ihre guten Eigenschaften, ihre 
Bildung, ihr vornehmes Auftreten, ihre moralische Unantastbarkeit 
erschwerten ihnen den politischen Kampf in einem Lande, das sich vor 
nicht allzu langer Zeit von türkischer Herrschaft befreit hatte und noch auf 
keiner sehr hohen Kulturstufe stand. Mein französischer Kollege, Monsieur 
Coutouly, der, wie viele seiner Landsleute, gern witzige Anekdoten zum 
besten gab, erzählte mit Vorliebe die nachfolgende, oft variierte Anekdote, 
die er in die Zeit des Fürsten Alexander Cusa verlegte, der 1859 die Moldau 
mit der Wallachei vereinigt hatte und 1861 der erste Fürst von Rumänien 
wurde: Ein neuer französischer Gesandter trifft in Bukarest ein. Er wird 
vom Minister des Äußern noch am selben Tage zu einer Abendgesellschaft 
eingeladen. Während der Soiree, die brillant und animiert war, bemerkt er, 
daß ihm seine Uhr mit der Uhrketie abhandengekommen ist. Der Verlust 
ist ihm schmerzlich, denn Uhr und Kette waren sehr schön. Da entdeckt 
er seine prächtige Kette über der Weste eines Herrn, der ilım kurz vorher 
als der tapfere General X. genannt worden ist, der Kriegsminister des 
Fürstentums. Nach einigem Zögern entschließt er sich, dem Hausherrn, 
dem Minister des Äußern, seine Wahrnehmung mitzuteilen. Sehr ruhig 
meint dieser: „Laissez moi faire, j’arrangerai cette petite affaire.“ Nach 
nicht allzu langer Zeit kehrt der Minister des Äußern mit der Uhr zurück. 
Der Bestohlene dankt ihm sehr herzlich, fragt aber doch, ob der Rückgabe 
der Uhr nicht eine peinliche Auseinandersetzung vorangegangen wäre. „Oh 
Die 
Junimisten
	        
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