Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Peter Carp 
Take 
Jonescu 
Bei 
Bratianu 
622 „TEGER" 
non“, entgegnet der trefflliche Mann, „mon collegue ne s’en est pas apercu.“ 
So arg wie unter Cusa ging es unter dem edlen König Carol nicht mehr zu. 
Aber manche rumänische Politiker huldigten noch der Moral der alten Zeit. 
Der Führer der Junimisten, Peter Carp, ein Ehrenmann durch und 
durch, hatte eine ganz deutsche Bildung. Er hatte in Deutschland studiert 
und war Bonner Borusse gewesen. Er war eine vornehme Natur, grund- 
zuverlässig, mutig und aufrichtig. Er war aber dem König Carol nicht 
unbedingt sympathisch, weil er dem namentlich in der inneren Politik gern 
vorsichtig lavierenden Monarchen bisweilen allzu stürmisch war. Carp 
hatte einen Todfeind. Das war sein Schwager Demeter Sturdza. Sturdza 
war gerade so deutschfreundlich wie Carp, aber der intimste Freund 
von Bratianu, den Carp immer heftig bekämpft hatte. Hinc illae irae. 
Eine glückliche Fügung des Schicksals hat es schließlich dahin geführt, 
daß der treflliche Sohn von Sturdza, der seine militärische Ausbildung 
in Berlin bei einem Garde-Regiment erhalten hatte, die liebenswürdige 
Tochter von Carp heiratete. Die Väter aber grollten sich wenigstens po- 
litisch nach wie vor. 
Eine tiefe und weite Kluft trennte Peter Carp und Demeter Sturdza, 
die feindlichen Schwäger, die gleich gute Patrivoten und ehrenwerte Männer 
waren, von Take Jonescu. Im Gegensatz zu Sturdza und Carp, die beide 
alten Bojarengeschlechtern entstammten, war Jonescu aus den kleinsten 
Verhältnissen hervorgegangen, hatte sich aber mit der großen natürlichen 
Begabung des Rumänen eine, wenn auch oberflächliche, so doch brillante 
Bildung im französischen Sinne angeeignet. Er sprach Französisch wie 
seine Muttersprache, er hatte eine englische Gouvernante geheiratet und 
sprach auch Englisch. Er war kein geistvoller, noch weniger ein tiefer 
Redner, aber wie die von Alphonse Daudet meisterhaft geschilderten 
französischen Demagogen war er nie um eine Phrase, eine sophistische 
Ausflucht, eine Lüge verlegen. Er war käuflich. Als Bismarck einmal 
Gerson Bleichröder fragte, ob ein vielgenannter Journalist integer sei, 
antwortete der alte Bankier, der ein kluger Mann war, dem aber die in 
Deutschland sehr verbreitete, bisweilen überschätzte Schulbildung abging: 
„Integer? O nein! Teger, teger!:Im höchsten Grade.“ Take Jonescu war 
„teger“ im Bleichröderschen Sinne. Er hat viel dazu beigetragen, daß sich 
Rumänien im Weltkrieg der Entente anschloß. 
Einer meiner ersten Besuche in Bukarest galt Bratianu. Ich habe immer 
den Grundsatz gehabt, gestürzte Minister zu frequentieren, denn von ihnen 
erfährt man am meisten. Von Bratianu sind mir zwei Äußerungen im 
Gedächtnis geblieben. Er frug mich nach unserer ersten Unterredung, ob 
ich von russischer oder französischer Herkunft sei. Als ich das kategorisch 
verneinte und ihm sagte, daß ich rein deutscher Abstammung sei, meinte
	        
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