OCTAVIO PICCOLOMINI 623
er: „Merkwürdig! Sie haben eine Leichtigkeit und Liebenswürdigkeit,
denen man bei Deutschen selten begegnet.‘ Als Endergebnis seiner Er-
fahrung in innerpolitischen Kämpfen sagte er mir: „Jede neue Regierung
ist wie ein Mann, der, ohne schwimmen zu können, ins Wasser geht.
Solange das Wasser ihm nur bis an die Knie reicht, muß man ihn in Ruhe
lassen. Steigt ihm das Wasser bis an den Bauch, so behalten Sie ihn scharf
im Auge. Geht ihm das Wasser bis an die Kehle, so springen Sie ihm auf
die Schulter und ersäufen ihn.“ Nach solchen Gesichtspunkten wurde in
Rumänien der innerpolitische Kampf geführt. Ein anderer rumänischer
Parteiführer gab mir eine Lehre, die ich nie vergaß. Er hieß Vernescu.
Er hatte mir, während er in der Opposition war, viele und anscheinend
aufrichtige Versprechungen für den Augenblick gemacht, wo er ans Ruder
kommen würde. Als er nun Minister wurde und keine seiner Versprechungen
einlöste, erinnerte ich ihn in diskreter Weise an seine Zusagen. Er antwortete
mir: „Vous ne sauriez croire, mon cher Monsieur, a quel point le gouverne-
ment change les idees d’un homme.““
Mein Vorgänger in Rumänien war der Gesandte Dr. Klemens Busch.
Ein tüchtiger Philologe, war er Dragoman unserer Botschaft in Kon-
stantinopel geworden, wo er sich nicht nur mit Studien über Homer
befaßte, sondern auch diplomatisch gute Dienste leistete. Mein Vater, der
gebildete Leute liebte, berief ihn in das Auswärtige Amt, wo er zum Ünter-
staatssekretär aufstieg und sich als solcher bewährte. Auf seinen Wunsch
erhielt er dann nach einigen Jahren einen Gesandtenposten. Als ich Busch
nach meinem Eintreffen in Bukarest aufsuchte, erzählte er mir eine merk-
würdige Äußerung des Fürsten Bismarck. Als Busch sich vor seiner Abreise
nach Bukarest bei Seiner Durchlaucht abmeldete, hatte ihn der Fürst
gefragt, warum er aus dem Auswärtigen Amt fortgedrängt habe. „Sie haben
sich wohl mit dem neuen Staatssekretär, meinem Sohn Herbert, nicht
vertragen können? Ja, ja, mein Sohn ist mit noch nicht vierzig Jahren
selbstbewußter und eigensinniger, als ich es nach einigen, selbst von meinen
Gegnern nicht ganz zu bestreitenden Erfolgen geworden bin.‘ Busch hatte
erwidert, daß seine Beziehungen zum Grafen Herbert immer gut gewesen
seien. Er habe aber mit dem Geheimrat von Holstein nicht auskommen
können. Sehr ernst erwiderte der große Fürst: „Ja, dann kann ich Ihnen
nicht helfen. Ich muß einen haben, auf den ich mich ganz verlassen kann,
das ist Holstein.‘ Dazu bemerkte Busch, als er mir diese Äußerung erzählte:
„Möge sich der große Bismarck nicht in Holstein irren, wie sich der große
Wallenstein in Octavio Piccolomini irrte.““ Und der sehr gebildete Dr. Busch
zitierte aus Schillers Trauerspiel ‚„Wallensteins Tod‘ den berühmten
Monolog, in dem der Friedländer zuerst von den Augenblicken spriclıt, wo
man dem Weltgeist näher sei als sonst, und zum Schluß Octavio Piccolomini
Dr. Klemens
Busch