KOLLEGEN IN BUKAREST 625
auf ihn verpflichtet. Nachdem das erreicht war, hatte ich die Aufgabe,
zwischen uns und Rumänien einen Handelsvertrag zustande zu bringen.
Dabei hatte ich auch gegen die Intrigen der Österreicher zu kämpfen, die
es nicht gern sahen, daß wir in den von ihnen bisher beherrschten rumäni-
schen Markt eindrangen. Ein vortrefflicher Mitarbeiter war mir bei den
Verhandlungen, die zum Abschluß des Handelsvertrages führten, der
damalige Legationssekretär Mumm, der spätere Gesandte in Peking und
Botschafter in Tokio.
Mein schon erwähnter französischer Kollege Monsieur Coutouly pflegte
zu sagen: „Bucarest est le tremplin des ambassadeurs.“ (Das Sprungbrett
für Botschafter.) In der Tat sind mein englischer Kollege Lascelles, der
italienische Gesandte Curtopassi und meine Wenigkeit von Bukarest aus
Botschafter geworden, der österreichische Gesandte Graf Goluchowski
sogar Minister des Äußern. Lascelles ist mir für mein ganzes Leben ein
treuer Freund geblieben. Als ich Staatssekretär des Äußern wurde, traf
ich ihn als englischen Botschafter in Berlin wieder. In Bukarest bin ich oft
mit seiner Tochter Florence, die damals ein Kind war, auf der „Chaussee“,
der Avenue du Bois de Boulogne der rumänischen Hauptstadt, spazieren-
gegangen. Als das gute Kind später den klugen englischen Diplomaten
Springrice heiratete, brachte ich bei dem Hochzeitsessen den Trinkspruch
auf die Neuvermählten aus. Meine Beziehungen zu Goluchowski waren
ebenso freundschaftlich. Graf Agenor Goluchowski war damals ein über-
zeugter und schr eifriger Anhänger des Dreibunds und namentlich der
Anlehnung an Deutschland, denn er sah noch in Rußland den Hauptfeind
der Polen. Später ist bei ihm der Pole unverhüllt herausgekommen. Als
Bethmann Hollweg in einer Stunde der Verblendung Polen wiederhergestellt
hatte, erinnerte sich, wie alle Polen, auch Graf Goluchowski daran, daß es
schöne und fruchtbare deutsche Provinzen gebe, die einst zu Polen gehört
hatten, fuhr nach Warschau und beriet dort seine Landsleute in deutsch-
feindlichem Sinne. „Rußland ist erledigt“, so predigte er ihnen, „wir
haben nur noch einen einzigen Gegner, und das ist Deutschland.“
Der russische Gesandte in Bukarest, Hitrowo, gehörte zu jenen russi-
schen Balkandiplomaten, die im Orient mit denselben terroristischen
Mitteln operierten wie die Nihilisten in Rußland. Er organisierte von
Bukarest aus Komplotte und Attentate in Bulgarien und suchte auch in
Rumänien selbst Unruhe zu stiften. Seine Frau, eine liebenswürdige und
fein gebildete Dame, war die Nichte des Dichters Alexej Konstantinowitsch
Tolstoi, der außer dem nicht üblen Roman ‚Fürst Serebrjanyj‘ eine in
Rußland sehr bewunderte und in der Tat von starkem innerem Leben er-
füllte dramatische Trilogie: „Iwan der Schreckliche‘“, „Zar Fedor‘ und
„Zar Boris“, verfaßt hat.
40 Bülow IV
Sir Frank
Lascelles
Graf Agenor
Goluchowski
Hitrowo