Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

VERWIRRUNG UND ERBITTERUNG 647 
ziemlich gut. König Carol hat kürzlich meinem Vater ein sehr inniges 
Telegramm auf einen längeren, eigenhändigen Brief geschickt, den er an 
die rumänische Majestät gerichtet hatte. Leben Sie wohl, und auf Wieder- 
sehen im Sommer. In steter Treue Ihr Herbert Bismarck.“ 
Mit dem badischen Staatsanwalt ist natürlich Marschall gemeint, mit 
dem „Amanuensis“ des Staatsekretärs aber Holstein, in dem sich der arme 
Herbert so gründlich getäuscht hatte. 
Von Holstein sprach mir Herbert seit seinem Sturz nie anders als mit 
unbegrenztem Haß. Es war jener Haß, den die Franzosen ‚l’amour tourne® 
a l’aigre‘“ nennen, die Reaktion gegenüber seiner langjährigen Schwärmerei 
für den Geheimrat von Holstein, dem blinden Vertrauen, das er von 
Kindesbeinen an in ihn gesetzt hatte. Er fühlte sich von Holstein hinter- 
gangen und betrogen. Er kam sich „hereingelegt‘“ vor, um eine echt Berliner 
Wendung zu gebrauchen. Kiderlen war ihm nur der Landsknecht, der für 
jeden ficht, der ihn gut bezahlt, jederzeit bereit, das Hemd zu wechseln 
und die Haut, wenn nötig. Von Phili Eulenburg sprach er mit Gering- 
schätzung. Der bayrische Gesandte Graf Hugo Lerchenfeld habe ihm ge- 
sagt, daß Eulenburg sich rühme, das politische Vertrauen des Fürsten 
Bismarck besessen zu haben und von ihm politisch benutzt worden zu 
sein. „Mein Vater“, sagte Herbert in fast verächtlichem Tone, „hat 
Eulenburg politisch nie au serieux genommen. Er hat nur die höfischen 
Talente von Phili benutzen wollen, um durch ihn auf eine verständige 
Haltung des Prinzen Wilhelin hinzuwirken, bei dem sich Phili frühzeitig 
insinuiert hatte, wie überall da, wo es etwas zu holen gab.“ Ich ging in 
Wildbad viel mit Herbert in den schönen Wäldern spazieren, die das rei- 
zende Schwarzwaldbad umgeben..Es rührte ihn sehr, daß alle Welt ihn 
freundlich grüßte und hier und da niedliche schwäbische Mägdelein ihm 
mit einem Knix Blumen überreichten. 
Bei meiner Rückkehr auf meinen Bukarester Posten fand ich König 
Carol ganz unter dem Eindruck der Verabschiedung des Fürsten Bismarck. 
„Ich habe das Unglück kommen sehen“, sagte er zu mir. „Sie werden sich 
ja an alles erinnern, wasich Ihnen auf Grund der mir von Deutschland zu- 
gegangenen vertraulichen Nachrichten erzählte. Die Verabschiedung selbst 
ist ein großes historisches Ereignis, zu dem man sich so oder so stellen kann, 
wie zu den meisten geschichtlichen Vorgängen. Aber die rücksichtslose, 
jeglichen Taktes entbehrende Form der Entlassung wird in Deutschland 
weite Kreise um so mehr verwirren und erbittern, je mehr sich darüber 
volles Licht verbreitet. Die Art, in der einer der größten Staatsmänner 
aller Länder und aller Zeiten, der größte Preuße seit Friedrich dem Großen, 
fortgeschickt wurde, war, unter uns gesagt, unreif, fast knabenhaft.““ 
Im Zusammenhang damit erzählte der König, was ihm von deutschen 
Herbert 
Bismarcks 
Haß 
König Carol 
über das 
historische 
Ereignis
	        
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