DIE PLATENS 51
und Cismar von einem schweren Sturm heimgesucht. Die Haare meiner
Großmutter, die noch nicht sechsundzwanzig Jahre alt war, wurden in
dieser einen Nacht schneeweiß. Sie hat sich zehn Jahre später zum zweiten-
mal mit dem Forst- und Jägermeister in Holstein Hans Adolph von Warn-
stedt vermählt.
In ihrer zweiten Ehe wurden ihr nur Töchter geschenkt. Meine Lieb-
lingstante war ihre dritte Tochter, Elise, die den Grafen Georg von Platen-
Hallermund heiratete, der einem ursprünglich pommerschen, 1630 in den
Reichsfreiherrnstand, 1689 in den Reichsgrafenstand erhobenen, auch im
Westfälischen Grafenkollegium rezipierten Geschlecht entstammte, das
während des Wiener Kongresses, um dem Könige von Hannover, der zu-
gleich König von England war, ein Vergnügen zu bereiten, unter die Media-
tisierten aufgenommen worden war. Die Erhebung in den Reichsfreiherrn-
und Reichsgrafenstand und selbst die Einreihung unter die Mediatisierten
gereicht meines Erachtens dem Platenschen Geschlecht weniger zum Ruhm,
als daß ihm ein Dichter entsproß, der Graf August Platen-Hallermund, der
zwar nicht, wie auf seinem Grabstein in Syrakus steht, als Princeps
poetarum Germaniae angesprochen werden kann, der aber doch einer der
Großen unter den deutschen Dichtern ist.
Ich habe meine Tante Elise und ihren welfisch gerichteten Mann oft auf
ihrem schönen holsteinischen Gut Kaden bei Ulzburg besucht. Er war ein
Bruder des Grafen Adolph Platen, der 1866, als der Krieg ausbrach,
hannöverscher Minister des Äußern war und nach der Annexion von
Hannover die welfische Propaganda leitete. Vor 1866 war er viele Jahre
mit Bismarck persönlich befreundet gewesen, was den letzteren nicht ab-
hielt, ihn wegen politischer Umtriebe zu mehrjähriger Freiheitsstrafe ver-
urteilen zu lassen. Allerdings nur in contumaciam, denn Adolph Platen,
der, nebenbei gesagt, ein Jugend- und Universitätsfreund meines Vaters
war, hatte sich rechtzeitig ins Ausland begeben. Mein Vater, Bismarck
und Platen standen in gleichem Alter: Adolph Platen war am
12. Dezember 1814 geboren, Bismarck am 1. April 1815 und mein Vater am
2. August 1815.
Die jüngste Schwester meines Vaters heiratete einen Herrn von Meßmer-
Saldern, dessen Vater als Kavalier des emigrierten Grafen von der Pro-
vence, des späteren Königs Ludwig XVIII., nach Norddeutschland ge-
kommen war. Es gelang dem gewandten Franzosen, die Hand einer reichen
holsteinischen Erbin, eines Fräulein von Saldern, zu gewinnen. Die Ehe
ging sehr schlecht. Monsieur de Messmer lernte als echter Franzose nie
Deutsch. Seine Frau, um ihn zu ärgern, ließ die Kinder kein Französisch
lernen. So lebten Vater und Kinder in demselben Haus, ohne sich zu ver-
stehen. „A happy family!“ sagt in solchen Fällen der Engländer.
4*
Tante
Elise