Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

668 EINE ENGLISCH-FRANZÖSISCHE ITALIANISSIMA 
Minghetti, und Malwida von Meysenbug. Donna Laura entstammte dem 
Hause Acton, außer den Howards die einzige Familie des englischen Hoch- 
adels, die dem katholischen Glauben immer treugeblieben war. Ihr Groß- 
onkel, der Baronet John Francis Acton, war jung nach Neapel gekommen, 
wo er sich die Gunst der Königin Maria Karolina erwarb, der Schwester 
der armen Königin Marie Antoinette, und Premierminister und Fürst 
wurde. Er hat als Todfeind der Französischen Revolution und ihrer Ideen 
das Königreich beider Sizilien in sehr reaktionärem Geist regiert, willkür- 
lich und grausam. Der gute politische Ruf des Hauses Acton wurde in 
unseren Tagen von Lord John Acton wiederhergestellt, dem ausgezeichneten 
Gelehrten und liberalen Staatsmann. Er war mit einer Deutschen ver- 
heiratet, einer Gräfin Arco, und der Sohn einer Deutschen, einer Tochter 
der historischen Familie Dalberg. Schon vor Lord John Acton hatte sich 
der Kardinal Acton bemüht, durch einen gottseligen Lebenswandel die 
Missetaten seines Oheims, des Fürsten, in Vergessenheit zu bringen. Donna 
Laura hatte eine französische Mutter gehabt, die Gräfin Zo& d’Albon, aus 
einer großen Familie, der, freilich als illegitimer Sproß, die berühmte Julie 
de l’Espinasse entstammte, die Freundin von Madame du Deffand, von 
d’Alembert und vielen anderen Enzyklopädisten. Ihre 1809 erschienenen 
„Lettres“ gehören zu den schönsten und geistreichsten Briefen der in 
dieser Richtung seit jeher reichen und ausgezeichneten französischen Lite- 
ratur. Sie sind mehrfach ins Deutsche übersetzt worden. Beide Großmütter 
meiner Schwiegermutter waren Deutsche, Rheinländerinnen, die eine eine 
Gräfin Hompesch, die andere eine Gräfin Berghe von Trips, also nur eng- 
lisches, französisches und deutsches Blut. Ihre einzige Schwester hatte sich 
mit einem Deutschen, dem Grafen Kurt zur Lippe-Biesterfeld, verheiratet. 
Dabei war Donna Laura in ihrer äußeren Erscheinung wieinihrem Wesen 
durch und durch Italienerin, Italianissima. Wer das Bild betrachtet, 
das Lenbach von ihr gemalt hat, das ihre klassische Schönheit wunder- 
voll wiedergibt, wohl das beste Frauenporträt des großen Münchener 
Malers, wird zweifellos der Ansicht sein, den vollkommenen Typus der 
Italienerin vor sich zu sehen. Ein neuer Beweis für die Anfechtbar- 
keit der Rassentheorie und jedenfalls ein Argument gegen ihre Über- 
treibung. Donna Laura hatte sehr jung in erster Ehe den Fürsten 
Domenico Camporeale geheiratet, nach dessen Tod den ausgezeichne- 
ten italienischen Staatsmann Marco Minghetti. Sie starb sechsund- 
achtzigjährig in ihrer Villa Mezzaratta bei Bologna am 12. September 
1915, ohne ihre zärtlich geliebte Tochter noch einmal haben sehen zu 
können, während des Weltkrieges, der sie in einen schmerzlichen Konflikt 
zwischen ihrem glühenden italienischen Patriotismus und ihrer tiefen 
Sympathie für Deutschland gebracht hatte. Sie wurde in der Certosa von
	        
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