GEIST UND HERZ 669
Bologna beigesetzt, einem der ältesten und stimmungsvollsten Friedhöfe
der Welt, „al fianco del mio Marco“, wie sie in ihrem Testament bestimmt
hatte, neben Marco Minghetti.
Selten war in einer Frau so viel Geist mit so viel Herz verbunden wie in
Donna Laura. Von ihrer Mutter hatte sie die französische Schlagfertigkeit
geerbt, die Gabe der Repartie. Als einmal ein bekannter Blaustrumpf von
sich sagte, sie habe nur geistige Interessen und verachte die Frauen, die
sich um Haus, Küche und Keller kümmerten, erwiderte Donna Laura
blitzschnell: „C’est tres bien, mais de grace ne m’invitez jamais a diner.““
Als ich einmal mit ihr bei Herbert Bismarck aß, der gute Weine liebte,
drängte er sie, noch ein drittes und viertes Glas Chäteau Lafitte zu trinken.
„Buvez encore de ce vin, Donna Laura“, ermutigte er sie. „Ce vin serait
capable de ressusciter un mort.‘“ Und Donna Laura: „Et enterrer un
vivant!“
An Donna Laura war alles echt und wahr, vornehm und natürlich.
Sie war mit allen Staatsmännern des Risorgimento, der italienischen Ein-
heitsbewegung befreundet gewesen. Bismarck und Andrässy, Gladstone
und ihr Vetter, der Earl of Granville, der Bischof Stroßmayer und Mon-
seigneur Duchesne, der Kirchen-Historiker und Akademiker, schätzten
ihren Geist und ihre Anmut. Sie zeigte gern eine Photographie, die Richard
Wagner ihr mit einer dankbaren Widmung geschenkt hatte, als sie bei der
ersten mißglückten „Tannhäuser“-Aufführung in Paris mutig für ihn ein-
getreten war. Sie war die Freundin der Kaiserin Eug£Enie und der Prin-
zessin Mathilde Bonaparte. Sie war mit ihrem ersten Mann in Paris in den
Tuilerien zu dem Diner eingeladen worden, bei dem Napoleon III. seine Ver-
lobung mit der schönen Gräfin Eugenie Montijo ankündigte, und am Vor-
abend des Weltkrieges empfing sie in Bologna den Besuch der entthronten,
gebeugten Kaiserin Eugenie. Dem sechzehnjährigen Mädchen hatte König
Ludwig I. von Bayern den Sankt-Annen-Orden verliehen, den Fürst-
bischof Johann Philipp von Würzburg 1714 für tugendreiche katholische
Jungfrauen im Alter von zwölf bis siebzehn Jahren aus ritterlichem Ge-
schlecht mit acht Ahnen von jeder Seite stiftete. Die fast achtzigjährige
Greisin führte Kaiser Wilhelm II. selbst durch seine Potsdamer und
Berliner Schlösser. Donna Laura war durch und durch liberal und haßte
schon in der Erinnerung an das, was sie in ihrer Jugend in Neapel schau-
dernd erlebt hatte, Fanatismus und Unwissenheit. Damals sollte ihr erster
Mann, der Fürst Camporeale eingesperrt werden, weil man bei ihm einen
Dante gefunden hatte, den die Bourbonen als italienischen Patrioten
verabscheuten.
Als 1870 der Deutsch-Französische Krieg ausbrach, weilte Donna Laura
zum Besuch bei der Prinzessin Mathilde in Paris. Napoleon 111. erschien