Die
Schleswig-
Holsteinische
Frage
52 DER ELEFANTENORDEN
Die Töchter meiner Großmutter standen politisch auf demselben Stand-
punkt wie sie, trauerten der guten alten Zeit nach und waren während
meiner Amtszeit nur einmal wirklich mit mir zufrieden: als ich den däni-
schen Elefantenorden erhielt, den auch ihr Großvater, mein Urgroßvater
Karl Baudissin, getragen hatte. Zu ihrer Entschuldigung will ich hinzu-
fügen, daß der dänische Elefantenorden ein sehr geschmackvoller Orden
ist: Der aus weißem Email geformte Elefant trägt auf dem Kopf einen roten
Turm, und in seinen Augenhöhlen blitzen zwei Diamanten. Er ist auch einer
der ältesten unter den großen europäischen Orden. König Christian 1.
stiftete ihn 1464.
In Flottbek und in Plön, in Altona und in Kiel, in Rantzau und in Caden,
überall in Holstein drehten sich die meisten politischen Gespräche um die
Schleswig-Holsteinische Frage. Lord Palmerston äußerte einmal, diese
Frage habe niemand begriffen außer einem deutschen Professor, der aber
sei, als er der Welt das Ergebnis seines Nachdenkens hätte verkünden
wollen, infolge geistiger Überanstrengung leider verrückt geworden. Die in
der Tat überaus schwierige und verwickelte Schleswig-Holsteinische Frage
hat Fürst Bismarck benutzt, um die Herzogtümer von der dänischen Herr-
schaft zu befreien, und damit den Weg gefunden zu der genialen Politik,
die über Sadowa und Sedan nach Versailles führte und die deutsche Ein-
heit herstellte, was vor ihm keinem geglückt war. Er erreichte sein Ziel
durch die preußische Hegemonie, die sich verkörperte in der einheitlichen
Spitze der Reichs- und der preußischen Regierung und in der preußischen
Armee, bei voller und gewissenhafter Schonung der Rechte und Gefühle
der Einzelstaaten auf föderativer Grundlage. Die Schleswig-Holsteinische
Frage, an der sich die Nationalversammlung von 1848, der deutsche Bundes-
tag und alle europäischen Kabinette vergeblich versucht hatten, wurde für
den Genius die Handhabe, seine Ziele zu erreichen. Bismarck, der nie groß-
artiger operierte als in den Jahren, die zwischen seiner Ernennung zum
Ministerpräsidenten und dem Prager Frieden lagen, äußerte einmal zu
meinem Vater, das sei eine jener Kraftproben gewesen, die man nur ein-
malim Leben ablegen könne.
Die Schleswig-Holsteinische Frage wurde akut, als bei allen europäischen
Völkern, bei den einen früher, bei den anderen später, hier stärker, dort
schwächer, das Nationalgefühl erwachte. Vorher verstand, um mit Johann
Heinrich Voß zu reden, der dänische Pflüger den deutschen, dieser den
Dänen. Wie jede große geschichtliche Strömung hatte das Erwachen natio-
naler Empfindungen nicht nur Licht-, sondern auch Schattenseiten: Die
Beziehungen zwischen den europäischen Staaten wurden dadurch er-
schwert. Es war leichter, zwischen den Kabinetten trotz ihrer Selbstsucht,
ihrer Frivolität und ihrer Intrigen zu Kompromissen und Verständigungen