Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Der Kron- 
prinz Viktor 
Emanuel 
heiratet 
674 DIE KOMMUNION IN BARIL 
Abenteuer in einer für das Land ehrenvollen Weise durch den Frieden 
liquidiert, den Italien mit Abessinien am 26. Oktober 1896 schloß, zwei 
Tage nach der Vermählung des jetzigen Königs von Italien. 
Als bekannt wurde, daß der Kronprinz von Italien sich mit der Prin- 
zessin Helene von Montenegro verlobt habe, die er im Mai während der 
Krönungsfeierlichkeiten in Moskau kennen und lieben gelernt hatte, 
schüttelten die fremden Vertreter in Rom den Kopf. Wo und wie werde 
die Trauung vor sich gehen? Der König müsse im Hinblick auf die italie- 
nische öffentliche Meinung darauf bestehen, daß die Trauung in der 
Landeshauptstadt, also in Rom, stattfinde. Das aber werde der Papst nie 
zugeben. Es zeigte sich auch bei diesem Anlaß die Gabe der Italiener, 
zwischen prinzipiellen Gegensätzen einen praktischen Ausweg zu finden. 
Der Ministerpräsident Rudini und der Kardinal-Staatssekretär Rampolla, 
beide Sizilianer, fanden diesen Ausweg während eines stillen Spazier- 
ganges, den sie in früher Morgenstunde zusammen in einer abgelegenen 
Allee der Villa Doria unternahmen. Die Peterskirche, meinte lächelnd der 
Staatssekretär der Kurie, könne er nicht wohl zur Verfügung stellen, wohl 
aber die Kirche Santa Maria degli Angeli, deren weite Räume sich prächtig 
für große Zeremonien eigneten. Man einigte sich auch leicht über den Geist- 
lichen, der die Trauung vollziehen würde. In ferner Normannenzeit hatte 
der Erzbischof von Bari besondere Privilegien genossen. Von diesen Privi- 
legien profitierte jetzt der König Umberto als Rechtsnachfolger der 
Normannenfürsten. So konnte die junge und schöne Prinzessin Helene ge- 
trost die Fahrt nach Rom antreten. Auch sie hatte, wie so viele Liebende, 
Hindernisse zu überwinden. Das montenegrinische Volk bekennt sich treu, 
ja nicht ohne einen gewissen Fanatismus, zur griechisch-orthodoxen 
Kirche. Die Prinzessin mußte, um Kronprinzessin von Italien zu werden, 
zur römisch-katholischen Kirche übertreten. Sie verließ als Rechtgläubige 
die väterliche Hauptstadt Cetinje. Dank der Feinheit und Überredungs- 
kunst eines der Prinzessin entgegengesandten italienischen Geistlichen voll- 
zog sich die Konversion auf der Meeresfahrt nach Bari, wo die künftige 
Königin von Italien die heilige Kommunion aus den Händen des Erz- 
bischofs in der altberühmten Kirche des heiligen Wundertäters Nicola nach 
römisch-katholischem Ritus empfing. Der Erzbischof hielt auch die Trau- 
rede in der Kirche Santa Maria degli Angeli. Sie erinnerte an die besten 
Reden Ciceros, des Vaters und Vorbilds aller lateinischen Rhetorik. In 
rollenden und dabei doch harmonischen Perioden’ wurden das heiß geliebte 
italienische Vaterland und der so treu verehrte Heilige Stuhl, der kluge 
Papst Leo XIII. und der ritterliche König Umberto gefeiert. 
Als wir die Kirche verließen, frug mich Rudini, wie ich die Predigt ge- 
funden hätte. „Pas mal, n’est ce pas?“ meinte er mit zufriedenem Lächeln.
	        
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