Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

PHILI DRÄNGT 687 
mit dem Kaiser auskommen würde, aber natürlich müsse ich ihn zu „‚be- 
handeln“ wissen. 
Phili wiederholte immer wieder: ‚Du bist es dem Lande schuldig, dem 
Ruf des Kaisers Folge zu leisten, aber wenn du den Kaiser nicht so nimmst, 
wie er nun einmal genommen werden muß, dann würdest du allerdings 
deine Person pro nihilo einsetzen und dich umsonst opfern. Dem Kaiser 
machen sachliche Argumente gar keinen Eindruck. Er ist nur für persön- 
liche Gesichtspunkte, für persönliche Einwirkungen empfänglich. Wenn 
du etwas erreichen, wenn du dem Lande nützen und helfen willst, so muß 
dich der Kaiser liebgewinnen. Du bist ein Seelenfänger, ein großer Char- 
meur. Du hast in deinem Leben viele Menschen bezaubert. Jetzt trachte, 
den Kaiser zu bezaubern. Pro Patria esto! Du kannst dem Kaiser, wo es 
nötig ist, sehr wohl widersprechen, aber widersprich ihm nur unter vier 
Augen und ärgere ihn nicht unnötig in Kleinigkeiten. Wenn der Kaiser 
nicht den Eindruck hat, daß du ihn gern hast, daß du ihn liebst, bewunderst, 
so ist nichts mit ihm zu machen. Du warst Husar, du bist ein guter Reiter. 
Der Kaiser ist ein Pferd, das nur geht, wenn es mit leichter Hand geführt 
wird, wenn es wohl den Schenkeldruck fühlt, aber nicht ins Maul gerissen 
wird und nicht zu oft den Sporn bekommt, wenn es vor allem bisweilen, 
sogar recht oft, ein Stück Zucker bekommt. Vergiß nicht den Zucker! 
Ohne Zucker ist dieser Gaul über kein Hindernis zu bringen, nicht am Aus- 
brechen zu verhindern, überhaupt nicht zu reiten.“ Eulenburg, der wie 
sein hoher Gebieter alles von der persönlichen Seite nahm, wurde nicht 
müde, mir auseinanderzusetzen, daß die beiden Faktoren in Berlin, mit 
denen ich, wenn ich reüssieren wollte, mich stellen müßte, der Kaiser und 
Holstein seien. Als ich ihm sagte, daß Holstein, der schon meinem Vater 
unheimlich gewesen sei, auch mir kein Vertrauen einflöße, und ihn vor 
dem ,‚großen Geheimrat‘, wie er ihn nannte, warnte, meinte Eulenburg: 
„Ich glaube, daß Holstein im Grunde ein weiches, ja zärtliches Herz hat. 
Übrigens bin ich in meinem Leben mit vielen seltsamen, anormalen Men- 
schen ausgekommen und gut ausgekommen. Ich werde auch mit Holstein 
fertig und fühle mich mit ihm ganz wohl.“ 
Nach Rom zurückgekehrt, hörte ich aus Berlin, daß für die Nachfolge 
von Marschall auf den Gesandten von Alvensleben zurückgegriffen werden 
sollte. Auch von Rotenhan, Holleben, Richthofen und Derenthall wurde ge- 
sprochen. Ich will nicht verschweigen, daß ich von persönlich nicht inter- 
essierten, wohlmeinenden Patrioten Zuschriften erhielt, in denen ich unter 
Appell an meine Vaterlandsliebe gebeten wurde, den Posten des Staats- 
sekretärs anzunehmen. In diesem Sinne wurde mir auch warm und drin- 
gend aus der Umgebung des Fürsten Bismarck geschrieben. Im Mai be- 
suchten mich in Rom, nicht gleichzeitig, aber im Laufe derselben Woche,
	        
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