PHILI DRÄNGT 687
mit dem Kaiser auskommen würde, aber natürlich müsse ich ihn zu „‚be-
handeln“ wissen.
Phili wiederholte immer wieder: ‚Du bist es dem Lande schuldig, dem
Ruf des Kaisers Folge zu leisten, aber wenn du den Kaiser nicht so nimmst,
wie er nun einmal genommen werden muß, dann würdest du allerdings
deine Person pro nihilo einsetzen und dich umsonst opfern. Dem Kaiser
machen sachliche Argumente gar keinen Eindruck. Er ist nur für persön-
liche Gesichtspunkte, für persönliche Einwirkungen empfänglich. Wenn
du etwas erreichen, wenn du dem Lande nützen und helfen willst, so muß
dich der Kaiser liebgewinnen. Du bist ein Seelenfänger, ein großer Char-
meur. Du hast in deinem Leben viele Menschen bezaubert. Jetzt trachte,
den Kaiser zu bezaubern. Pro Patria esto! Du kannst dem Kaiser, wo es
nötig ist, sehr wohl widersprechen, aber widersprich ihm nur unter vier
Augen und ärgere ihn nicht unnötig in Kleinigkeiten. Wenn der Kaiser
nicht den Eindruck hat, daß du ihn gern hast, daß du ihn liebst, bewunderst,
so ist nichts mit ihm zu machen. Du warst Husar, du bist ein guter Reiter.
Der Kaiser ist ein Pferd, das nur geht, wenn es mit leichter Hand geführt
wird, wenn es wohl den Schenkeldruck fühlt, aber nicht ins Maul gerissen
wird und nicht zu oft den Sporn bekommt, wenn es vor allem bisweilen,
sogar recht oft, ein Stück Zucker bekommt. Vergiß nicht den Zucker!
Ohne Zucker ist dieser Gaul über kein Hindernis zu bringen, nicht am Aus-
brechen zu verhindern, überhaupt nicht zu reiten.“ Eulenburg, der wie
sein hoher Gebieter alles von der persönlichen Seite nahm, wurde nicht
müde, mir auseinanderzusetzen, daß die beiden Faktoren in Berlin, mit
denen ich, wenn ich reüssieren wollte, mich stellen müßte, der Kaiser und
Holstein seien. Als ich ihm sagte, daß Holstein, der schon meinem Vater
unheimlich gewesen sei, auch mir kein Vertrauen einflöße, und ihn vor
dem ,‚großen Geheimrat‘, wie er ihn nannte, warnte, meinte Eulenburg:
„Ich glaube, daß Holstein im Grunde ein weiches, ja zärtliches Herz hat.
Übrigens bin ich in meinem Leben mit vielen seltsamen, anormalen Men-
schen ausgekommen und gut ausgekommen. Ich werde auch mit Holstein
fertig und fühle mich mit ihm ganz wohl.“
Nach Rom zurückgekehrt, hörte ich aus Berlin, daß für die Nachfolge
von Marschall auf den Gesandten von Alvensleben zurückgegriffen werden
sollte. Auch von Rotenhan, Holleben, Richthofen und Derenthall wurde ge-
sprochen. Ich will nicht verschweigen, daß ich von persönlich nicht inter-
essierten, wohlmeinenden Patrioten Zuschriften erhielt, in denen ich unter
Appell an meine Vaterlandsliebe gebeten wurde, den Posten des Staats-
sekretärs anzunehmen. In diesem Sinne wurde mir auch warm und drin-
gend aus der Umgebung des Fürsten Bismarck geschrieben. Im Mai be-
suchten mich in Rom, nicht gleichzeitig, aber im Laufe derselben Woche,