Schwerin,
Rostock,
Wismar
58 DIE BISCHÖFE VON SCHWERIN
Daraufhin wurden alle Sternberger Juden vor dem Luckower Tor auf einem
Hügel verbrannt, der noch heute der Judenberg heißt. So geschehen am
24. Oktober 1492 im Namen der Religion, deren Grundsäulen die Berg-
predigt und das dreizehnte Kapitel des ersten Korintherbriefes sind. Damit
der Tragödie auch ein grotesker Zug nicht fehle, wurde in einer Nische der
Sternberger Stadtkirche ein eingemauerter Feldstein gezeigt, in dem die
eingemeißelten Abdrücke zweier menschlicher Fußsohlen zu sehen waren.
Es ging nämlich die Sage, daß, nachdem im Hause des Juden Eleasar die
Hostien durchstochen worden waren, dessen Gattin, von Unruhe und
Gewissensbissen getrieben, den Versuch gemacht habe, die Hostien im
Sternberger See zu versenken. Dabei sei sie auf einen am Ufer liegenden
Stein getreten, habe aber plötzlich gemerkt, daß ihre Füße in den Stein
einsanken, und sei voll Schrecken zurückgeeilt. Bis in das siebzehnte
Jahrhundert waren die Juden aus ganz Mecklenburg verbannt. In Sternberg
wurden sie erst im achtzehnten Jahrhundert zugelassen. In Rostock und
in Wismar durften sich noch in meiner Jugendzeit Juden nicht niederlassen.
Der Schweriner Kollege meines Vaters, der Staatsminister Jasper von
Oertzen, wohnte ebenso wie mein Vater den Landtagsverhandlungen in
Malchin und Sternberg bei. Er war ein redlicher, aber ziemlich beschränkter
Mann. In die Sorgen der Regierung teilte er sich mit seinem ältesten Sohn.
Als Bismarck bei den Besprechungen vor der Konstituierung des Nord-
deutschen Bundes beide persönlich kennenlernte, meinte er: „Ich sehe den
Vater und ich sehe den Sohn, aber ich sehe nicht den Heiligen Geist.“
Neustrelitz ist die jüngste aller mecklenburgischen Städte. Es besitzt
weder geschichtliche Erinnerungen noch altertümliche Baudenkmäler. Wie
anders Schwerin, wo wir auf der Fahrt von Hamburg nach Strelitz halt-
machten! Vier Bülows hatten einst nacheinander auf dem bischöflichen
Stuhle von Schwerin gesessen. Bischof Gottfried von 1292 bis 1314, der
Vollender des Schweriner Doms, eines schönen gotischen Baues. Nach
Gottfried seine beiden Neffen, die Brüder Bischof Ludolph von 1331 bis
1339 und Bischof Heinrich I. von 1339 bis 1347. Und endlich der Neffe
dieser beiden, der kunstsinnige Bischof Friedrich, von 1366 bis 1375. Wir
bewunderten die Grabplatten, unter denen diese würdigen Kirchenfürsten
seit mehr als fünf Jahrhunderten schliefen und die zu den beachtens-
wertesten Kunstwerken gehören, die Norddeutschland aufzuweisen hat.
Prächtig war auch das Schloß in Schwerin, dessen Türme, Zinnen und
vergoldete Kuppeln sich im Schweriner und im Burgsee spiegeln. Selbst
mit Ludwigslust, dem mecklenburgischen Potsdam, konnte sich Neu-
strelitz nicht messen, geschweige denn mit Rostock, der alten Hansastadt,
die damals noch über die größte Handelsflotte der Ostsee gebot. Der Turm
der Rostocker Petrikirche ist der höchste Turm in Mecklenburg. Der See-