KÖNIGIN AUGUSTA 65
lange und arbeitsreiche Jahre verleben sollten. Damals suchte mein Vater
dort seinen Frankfurter Freund Herrn von Bismarck auf, der seit acht
Monaten preußischer Ministerpräsident und Minister des Äußern war.
Während mein Vater mit dem Ministerpräsidenten in dessen Arbeitszimmer
sprach, unterhielt ich mich mit seinen Kindern, die auf dem Korridor
herumtobten und auf der Treppe, deren Zugang die beiden Sphinxen
bewachen. Als wir nach dem Hötel de Rome, wo wir abzusteigen pflegten,
zurückkehrten, erzählte mein Vater, er habe Bismarck trotz aller gegen ihn
gerichteten Angriffe und der zum Teil ganz wüsten Schmähungen der
Demokraten in guter und mutiger Stimmung getroffen. „Ich komme
durch‘, hatte Bismarck zu meinem Vater gesagt, „und ich werde mit den
Demokraten fertig, vorausgesetzt, daß der König mir treu bleibt. Und das
wird er, denn er hat. die Gefühle und die Gesinnung eines Edelmannes.““
Die Wendung: „Er denkt und fühlt wie ein Edelmann“, die ich später öfter
von ihm hörte, war in den Augen des Fürsten Bismarck das höchste Lob,
das er spenden konnte.
Um wieder Berge zu sehen, machte mein Vater von Berlin mit mir, der
ich ihn freudig begleitete, einen Abstecher nach Regensburg, Augsburg,
München und zurück über Baden-Baden. Von Regensburg aus besuchten
wir die Walhalla, den von König Ludwig I. von Bayern errichteten ‚Tempel
teutscher Ehren“. Ich ahnte nicht, daß ich hier einmal als deutscher
Reichskanzler eine Rede halten würde anläßlich der Aufstellung der
Marmorbüste meines großen Vorgängers, des zu jener Zeit von den Liberalen
bissig befehdeten, von den Demokraten beschimpften Herrn Otto von
Bismarck-Schönhausen. In Baden-Baden erblickte ich zum erstenmal die
Königin Augusta von Preußen. Sie stattete abends der mit ihr und uns im
selben Hotel wohnenden Herzogin Dorothea von Talleyrand und Dino,
einer geborenen Prinzessin von Kurland, einen Besuch ab. Als sie der
Herzogin Lebewohl gesagt hatte und die Treppe ihrer im Parterre ge-
legenen Wohnung hinabstieg, gingen zwei Lakaien mit brennenden
Flambeaux vor ihr her. Die Königin Augusta war damals noch eine schöne
Frau. Die Herzogin Dorothea hatte in ihrer Jugend das Alter des Fürsten
Talleyrand und in ihrem Alter die Jugend des am 18. September 1848 auf
der Bornheimer Heide bei Frankfurt vom Pöbel ermordeten Fürsten
Lichnowsky versüßt.
Den Hochsommer 1363 verlebten wir in dem Seebad Heiligendamm
bei Doberan. Auch hier ging es nicht mehr so patriarchalisch zu wie früher,
wo dort noch eine öffentliche Spielbank bestand und der biedere Großherzog
Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin, der Gatte der Prinzessin
Alexandrine von Preußen, einer Tochter des Königs Friedrich Wilhelm III.
und Schwester unseres alten Kaisers Wilhelm, mit Vorliebe selbst die Bank
5 Bülow IV
Baden- Baden
Doberan und
Heiligendamnı