66 DER RITTER BÜLOW
hielt, an heißen Tagen in Hemdsärmeln. Aber noch immer nahm der Hof an
der Table d’höte teil, bei der es gemütlich zuging, ohne Zwang noch be-
sondere Förmlichkeiten. Doberan hatte eine interessante Vergangenheit,
über die mich mein Vater belehrte, der über ausgebreitete historische
Kenntnisse verfügte und in seiner Herzensgüte uns Kindern gegenüber sehr
mitteilsam war. Er erzählte uns, daß Doberan schon im zwölften Jahr-
hundert von dem Wendenfürsten Pribislaw II. als Zisterzienserkloster
gegründet wurde. Doberan war sehr reich gewesen, denn es besaß Reliquien,
die ihm ein großes Ansehen verliehen und es zum Ziel von Wallfahrten aus
Dänemark, Schweden und noch ferneren Ländern machten. In der
Reformationszeit säkularisiert, wurde Doberan im Jahre 1793, dem Jahr
der Terreur in Frankreich, der Epouvantable annee de lauriers et de sang
grande ombre couronne&e, das erste deutsche Seebad. Mein Vater führte
mich in die Doberaner Kirche, ein gotisches Gebäude in Kreuzform, auf
dessen Mitte sich eine mäßige Turmspitze erhebt. In der Kirche zeigte er
mir die Bülowen-Kapelle, die 1372 von dem Schweriner Bischof Friedrich II.,
der dem Hause Bülow entstammte, ‚zu seiner Lieben Gedächtnis“ gestiftet
und von dem Mönch Eckhart Bülow mit einer Dotation ausgestattet
worden war. Über der Tür bewunderte ich die bildliche Darstellung eines
Wendenhäuptlings, der ein Ungetüm mit seiner Streitaxt und den Worten
bedroht:
Stah up — hör
van de Dör!
Augenscheinlich das Konterfei eines energischen Missionars, der keinen
Spaß verstand, wenn es sich um die Bekehrung renitenter wendischer
Heiden handelte. Innerhalb der Kapelle stand unter dem Bild eines Ritters
Bülow die Inschrift:
Wieck, Düvel, wieck, wieck wiet van my,
Ik scheer my nig een Hoahr om dy.
Ik bün ein Meckelbörgsch Edelmann,
Wat geit dy, Düvel, mien Suupen an?
Ik suup mit mienen Herrn Jesu Christ,
Wenn Du, Düvel, ewig dösten müßt,
Und drink mit öm söst Kolleschahl,
Wenn Du sitzt in der Höllenqual,
Drum rahd ik: wieck, loup, rönn und gah!
Sünst, by dem Düvel, ick tau schlah.
Das Selbstgefühl, das dieser meckelbörgsche Edelmann in seiner Grab-
schrift sogar dem Teufel gegenüber an den Tag legt, die Entschiedenheit,
mit der er sich das Recht zu saufen wahrt, sind junkerlich im guten Sinne