Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Rügen 
70 SCHILLS GRAB 
werden den großen Dichter des plattdeutschen Volks nicht vergessen, der 
im Herzen des ganzen deutschen Volks fortleben wird. 
Im Sommer 1864 unternahmen wir mit dem guten Erbgroßherzog 
Adolf Friedrich und dessen hannöverschem Erzieher, dem Hauptmann von 
Petersdorf, eine prächtige Fußreise nach Rügen und konnten uns davon 
überzeugen, daß der Norden unseres Vaterlandes nicht weniger landschaft- 
liche Schönheiten bietet als der uns bisher mehr vertraute Süden. Wir 
marschierten tapfer fünf bis sechs Stunden täglich. In Stralsund suchten 
wir die Querstraße auf, wo Ferdinand von Schill, der fromme, der tapfere 
Held, gefallen war. Über seinem Grabe las ich die treffenden Worte aus 
Virgil: 
Magna voluisse magnum. 
Occubuit fato: jacet ingens litore truncus, 
Avulsumque caput: tamen haud sine nomine corpus. 
Und ins Grab hatte ihm Ernst Moritz Arndt nachgesungen: 
Dann sattelt ein Reiter sein schnelles Pferd, 
Und schwingt ein Reiter sein blankes Schwert, 
So rufet er zornig: Herr Schill, Herr Schill, 
Ich an den Franzosen Euch rächen will. 
Mein Vater hatte uns, bevor wir die Rügenreise antraten, die Verse eines 
jetzt längst vergessenen Dichters, des empfindsamen Kosegarten, mit auf 
den Weg gegeben: 
Empfange mich, alter Rügard! 
Mich lüstet zu schaun 
Mit staunendem Blick 
Die Riesengräber und Herthas Hain, 
Die Küsten, die Inseln und das donnernde Meer. 
Die reizenden Gartenanlagen des Fürsten Putbus, der von dem 
Wendenfürsten Jaromir abstammen wollte, gefielen uns viel besser als die 
Stadt Putbus, die das Rügensche Karlsruhe genannt wurde und in der Tat 
durch ihre langweilige Regelmäßigkeit an die badische Residenz erinnert. 
Wir freuten uns an dem prächtigen Granitzer Forst. Wir freuten uns auch 
an den schwarzen, rot gefütterten Röcken der Leute von Mönkgut. Wir 
hörten von der, nebenbei gesagt, gar nicht so üblen Sitte, daß die Mönkguter 
Mädchen, wenn sie heiraten wollten, selbst auf die Freierei gingen, die sie 
„die Jagd“ nannten. „Se stellt na em ut.‘ Auf der Stubbenkammer, auf 
der König Karl XII. von Schweden gestanden hat und auf der ich viele 
Jahre später mit Wilhelm Il. stand, genossen wir einen herrlichen Sonnen-
	        
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