104 Perser und Griechen. Europas Sieg über Asien.
Oeffentliche Erziehung.
Damit der Spartiate ein folgsamer, nüchterner Bürger und im
Felde ein unüberwindlicher Krieger werde, überwachte der Staat die
ganze Heranbildung des jungen Geschlechtes. Die neugebornen Kinder
wurden besichtigt, die gebrechlichen und krüppelhaften den Müttern hin-
weggenommen und in einen Felsenschlund des Taygetus geworfen (1). Die
kräftigen und gesunden blieben den Eltern, jedoch nur bis zum sieben-
ten Lebensfahre. Dann kamen sie in die Etziehungshäuser, wo sie
unter Aufsicht und auf Kosten des Staates erzogen wurden. Sie lern-
ten hier das Alter ehren, die Wahrheit reden, den Schmerz ertragen,
Hunger, Durst und Kälte für nichts achten; sie übten sich im Ringen,
Wettlaufen, Schwimmen, Werfen u. s. w. Mit dem 16. Jahre gin-
gen sie in die Reihen der Jünglinge über; auch da galten Bescheiden-
heit und Besonnenheit im Reden, Gehorsam und Ehrfurcht vor den
Obern und Greisen als erste Tugend, Waffenübungen aber als wichtig-
stes Geschäft. Als eine Vorübung des Krieges wurde ihnen die Jagd
zu bestimmten Zeiten erlaubt; daß sie auch die Heloten gejagt hätten,
welche sich trotz der von Sparta ergangenen Warnung außerhalb ihrer
Wohnungen sehen ließen, wie erzählt wird, ist nicht wohl glaublich; die
Spartiaten brauchten ihre Heloten viel zu nothwendig, als daß sie die-
selben auf eine so muthwillige Weise hätten verlieren mögen. Eher
mag es geschehen sein, daß den Jünglingen zuweilen an Heloten, welche
man zum übermäßigen Trinken zwang, die Schande des berauschten
Menschen gezeigt wurde. Auch listiger Diebstahl von Lebensmitteln war
erlaubt, weil er als Vorschule zu Kriegslisten betrachtet wurde; den ent-
deckten oder ertappten Schelmen traf empfindliche Strafe. Knaben und
Jünglinge erlernten aber auch die Gesetze der Vaterstadt, sangen in
Liedern die Geschichte der Vorfahren und in Lobgesängen den Preis der
Götter. Endlich ging der Jüngling in die Klasse der Männer über,
verheirathete sich, zog in den Krieg, wenn die Reihe ihn traf, übte sein
Bürgerrecht in der Gemeinde und begleitete Aemter, wenn ihm die Ehre
einer Wahl zu Theil wurde. Der Staat griff aber noch tiefer in das
häusliche Leben ein; daß er das Familiengut schützte, das neugeborne
Kind der Mutter zurückgab oder wegwarf, das siebenjährige zur Erzie-
hung übernahm, ist bereits gesagt; er verordnete aber auch die soge-
nannten Spssitien, d. h. Tischgesellschaften von Männern, meistens 15,
von denen jeder seinen Beitrag lieferte; sie waren aber auch eine Kriegs-
kameradschaft, die im Felde zusammen lagerte, kochte und kämpfte. Die
Syssitien waren also ungefähr dasselbe, was die Zunftstuben der wehr-
haften Bürger in den deutschen Städten des Mittelalters, nur daß diese
erst am Abend zum Trunke dahin gingen und nicht so mäßig waren.