176 Perser und Griechen. Europas Sieg über Afien.
fleißig geopfert und der Pallas Athene durch Prozessionen und schönen
Schmuck gedient wurde.
Sohrates (469—399).
Gerade in Athen trat aber auch der Mann auf, welcher die So-
pbisterei mit den besten Waffen bekämpfte, die ein Hellene ergreifen
konnte; dies war Sokrates, des Sophroniskos Sohn (geb. 469). Seine
Jugend fiel in die Glanzzeit seiner Vaterstadt; er hörte den Perikles,
sah die prächtigen Bauten und gewaltigen Festungswerke sich erheben.
In dem peloponnestischen Kriege diente er bei der Belagerung von Po-
tidäa, bei Amphipolis und focht mit in der unglücklichen Schlacht von
Delion; er war Zeuge von Athens selbstverschuldetem Unglücke und von
der Herrschaft der dreißig Tyrannen, welchen er allein zu widersprechen
wagte. Nach bürgerlichen Aemtern trachtete er nicht; nur einmal be-
gleitete er kurze Zeit als Prytane ein Amt, denn es war ihm ein viel
wichtigeres Geschäft, darüber nachzudenken, wie er selbst tugendhaft
werde und andere zur Tugend führe.
Den Spekulationen über den Urstoff aller Dinge, über die Ent-
stehung der Welt, über das, was in, auf und über der Erde, im Meere,
in der Luft und an und über dem Himmel ist und sein mag, war So-
krates nicht hold, weil sie ihm doch kein für das Leben nutzbares Wissen
zu geben schienen; er schaute die Natur und deren Erscheinungen so an,
wie sich dieselben dem Menschen von selbst darbieten und traute diesem
Augenschein mehr Wahrheit zu als dem künstlichen Widerspruche, in
welchen sie die Philosophen der atomistischen und eleatischen Schule zu
bringen wußten; aus der Zweckmäßigkeit und Schönheit, welche ihm die
Natur überall offenbarte, schloß er auf die Weisheit und Güte der
Macht, welche die Welt schuf und erhält. Darum konnte er keine Götter
glauben, wie sie das Volk anbetete oder fürchtete; er ahnte den Einen
Gott, konnte sich aber nicht zu dem festen Glauben an Denselben empor-
schwingen; er opferte den Göttern, fragte das Orakel und ermahnte auch
andere so zu thun; er hielt wohl die Volksreligion nur für eine getrübte
Religion, indem die Menschen den Göttern ihre eigenen Gebrechen an-
dichteten. Darum konnte er auch seine Ermahnungen zur Tugend nicht
mit den Pflichten des Menschen gegen Gott begründen und seinen Schü-
lern nicht zurufen: „Werdet vollkommen, wie euer Vater im Himmel
vollkommen ist!“ Er mußte sich auf die Stimme des Gewissens berufen,
die er auf seinem Lebenswege bald deutlicher bald leiser vernahm, die
er einen „Gott“ nannte; war ja doch auch sein Geist nach Gottes Eben-
bild erschaffen und empfand die Sehnsucht nach seiner Urquelle. Seine
Tugendlehre konnte eben deßwegen keine vollkommene sein, und seine
Begriffe von Sittlichkeit verrathen den Hellenen; daß der Mensch auch