Zerstreuung und Berwilderung der Menschen. 9
stände werden göttlich, und darum mag der Mensch wohl das Thier
aubeten und vom Stein und Baumstamm Erhörung hoffen (Fetischdienst),
oder, da auch er ein Kind der göttlichen Erde oder irgend eines andern
Gottes Sohn ist, so mag er sich selbst anbeten lassen. Unendlich man-
nigfaltig ist die Abgötterei, je nachdem ein Bolk sie mit mehr oder we-
niger Scharfsinn ausgebildet hat; dem Hindu und Griechen schimmert
und strahlt seine unendliche Götterreihe, der Kamtschadale hat frostige
Götter, wie er selbst ist, der Ostiake opfert einem Baumstrunke, der
Aegpptier betet einen Stier an, der Römer baut Tempel dem Cäsar
Augustus. So wird der Mensch, den Gott zum Herrn der Natur hin-
gestellt pat, deren Knecht; so wird ihm sein Dasein und das der Sin-
nendinge zum Räthsel, das er vergeblich zu lösen sucht, weil er ver-
gessen hat, daß einmal das Allmachtswort erschollen.
Shlaverei.
Unendlich mannigfach, wie die Abgötterei, sind auch die Uebel,
welche sie dem Menschengeschlecht zugefügt hat; der Fluch aber, den sie
allen ihren Dienern gibt, ist — Sklaverei. Der Gögtendiener kennt
nicht den Allvater und erkennt deßwegen in seinem Nebenmenschen auch
nicht seinen Bruder; sondern wie der Löwe das schwächere Thier zu
seiner Beute macht, so überwältigt der stärkere Mensch den schwächeren
Menschen. Das Thier wird ihm Vorbild und zum Thiere erniedrigt er
den Mitmenschen, das Ebenbild Gottes; er zwingt ihn, den Acker zu bauen
wie der Stier, das Wild zu jagen wie der Hund, die Last seines Herrn
auf die Schulter zu nehmen wie Kameel und Esel. Der Herr selbst
nimmt einen Thiernamen an; Löwe, Tiger, Wolf, Adler, Schlange u. s. w.
sind Männernamen bei allen wilden Völkern der alten und neuen Zeit,
und haben sich, freilich bedeutungslos, bis in unsere christliche Zeit her-
ein fortgeerbt.
Abgötterei und Sklaverei erscheinen stets mit einander verbunden;
auch bei Völkern, deren Bildung sonst eine gepriesene ist, sind sie neben
einander, und darum mußte auch ihre Kultur, weil sie keine wahre ist,
verschwinden, all' solche Herrlichkeit mußte zu Grunde gehen. Es darf
uns deßhalb nicht trostlos machen, wenn uns die Geschichte auf die
Gräber der Nationen führt; auf ihren Grabsteinen lesen wir ja, was
sie gethan und verschuldet; sie selbst bekennen, daß und wie sie ihr
Schicksal sich bereitet haben. Die edleren Nationen ahnten auch ihr
Loos, denn die uralte Gotteserkenntniß leuchtete so belle noch immer,
daß sie sehen mußten: unsere Götter sind nur Geschöpfe wie wir, und
können das Weltall nicht tragen und nicht ewig sein; auch sie werden
einmal untergehen, wie der Mensch in's Grab sinkt; nur bedeckt diesen
ein Erdbhügel, die Götter eine zertrümmerte Welt. So lehrt die Reli-