Numa Pompilius. 223
einen Umzug um die Stadtmarkung und beteten um den Aerntesegen,
die 12 Salii bewahrten die heiligen Schilde auf und huldigten dem
Mars durch einen Festtanz.
Die Heiligkeit des Eides war bei den Römern eine der Grund-
lagen des Staats= und Privatlebens; wer einen Eid schwor, rief die
Götter als Zeugen und Helfer an und weihte sich selbst den Göttern
als verfallen, er verstuchte sich selber, sobald sein Eid ein Meineid war.
Solche Religiofität und Heiligkeit des Eides bewahrte Rom beispiellos
lange vor Verrath, Menchelmord und Bürgerkrieg, so daß bei Partei-
kämpfen, die Menschenalter hindurch andauerten, nie ein Tropfen
Bürgerblutes vergossen wurde. Eltern, Kinder, Verwandte, Bürger
und Obrigkeit standen bei dem alten Römer in einem geheiligten Ver-
hältnisse, dessen Verletzer dem Fluche der Götter verfallen mußte, welche
als Zeugen, Schützer und Rächer in Gebeten, Opfern und Eiden an-
gerufen wurden. Die Religiosität und bürgerliche Tugend der alten
Römer bildet den schneidendsten Gegensatz gegen die Griechen, bei denen
Irreligiosität und Aberglauben, politische Meuchelmorde, Verrath und
blutige Unruhen selbst in ihrer besten Zeit häufig vorkamen. Die
Römer hüteten ihre Religion, welche sie an so viele Pflichten und Vor-
schriften band und eben darum so innig vereinigte, lange mit großer
Wachsamkeit gegen das Eindringen fremder Kulte, die von ihnen super-
stitiones (Aberglauben) genannt wurden; sie füblten es ganz wohl, daß
durch dieselben ihre Religion, ihr Glaube auseinander gespalten und
in Folge dessen nicht mehr allen dasselbe heilig und unheilig, erlaubt
und verboten erscheinen würde. Heilige Bücher wie das Avesta und die
Bedas kannten die Römer so wenig als die Griechen, und ebenso wenig
einen eigentlichen Priesterstand; dagegen war bei ihnen nicht der Dichter
und sein Rhapsode der Träger der alten Götterlehre, sondern diese
haftete an den Festen und Opfern und an jeder Einrichtung des Lebens.
Die Römer wußten z. B. keine Mythen über den Jupiter, aber als
optimus maximus (der mächtige und gütige Gott) hatte er seinen
Eigenpriester (flamen), als solchem opferte man ihm und feierte ihm
Feste als dem Beschützer der Stadt, als Jupiter terminalis ehrten ihn
die Gränznachbarn. Die römischen Feste und Festesbräuche waren
strenge geordnet, Opfer, Gebete und alle Ceremonieen auf das genaueste
vorgeschrieben, so daß jeder Willkür eine feste Schranke entgegenstand.
Man hat demnach Recht, wenn man die römische Religion eine
Staatsreligion nennt; sie war es unter allen Religionen am vol-
lendetsten, indem keine andere den einzelnen Bürger so sehr an sein
Haus, an seinen Mitbürger, an seine Stadt, seine Obrigkeit band und
aus der Bürgerschaft einen so geschlossenen, religiösen Verein gestaltete,
der alles Fremde abstieß. Dies trug aber auch wesentlich dazu bei,