Full text: Die Weltgeschichte. Erster Theil. Das Alterthum. (1)

294 Oie Kömer. 
len, dürfen nie von den Inhabern verkauft werden, und fallen an den 
Staat zurück, wenn sie dieselben nicht selbst anbauen wollen. So- 
suchte Gracchus auf der einen Seite dem übergroßen Güterbesitz Schran- 
ken zu setzen und die müßige Stadtbevölkerung in kleine Landbauer zu 
verwandeln, wie die alten ehrenhaften Plebejer gewesen waren. 
Zur Ausführung dieser Gesetze sollte eine Kommission von drei 
Männern erwählt werden, die zugleich auszuscheiden hätten, was bei 
den großen Gütern Privatbesitz wäre und was ursprünglich dem Staats- 
acker angehörte. Aber gerade diese Ausscheidung war eine Unmöglich- 
keit. Seit Jahrhunderten war keine Kontrole über den alten Staats- 
acker geführt worden, daher konnte der Nachweis nur bei neueren 
Erwerbungen geliefert werden; seitdem Plebejer und Patricier gleichberech- 
tigt geworden, hatten auch plebejische Familien von dem Staatsacker er- 
worben, erheirathet und ererbt, so daß plebejischer Besitz so wenig ein 
Merkmal von Privateigenthum, als patricischer ein Kennzeichen von ok- 
kupiertem Grundbesitze war. Auf den alten aus Staatsländereien ent- 
standenen Gütern waren zum Theil verschiedene Gebäude errichtet, es- 
waren auf diese Grundstücke Schulden kontrahiert worden — kurz man 
hatte sie als Privateigenthum behandelt. Das Gesetz des Gracchus be- 
sagte also in der That nichts mehr und nichts weniger als: die großen 
Grundeigenthümer geben von ihrem Landbesitze den größten Theil her- 
aus und werden dafür auf Staatskosten entschädigt, das abgetretene Land. 
aber wird in kleinen Stücken unter die armen Bürger vertheilt. Diese- 
mußten sich natürlich des graechischen Gesetzes freuen; die großen Grund- 
besitzer hingegen, die Nobiles von patricischer und plebesischer Herkunft, 
konnten nicht anders als im höchsten Grade erbittert werden, sonst wären 
sie keine Menschen, welche an Ehre und Gut hängen, sondern Geschöpfe- 
höherer Natur gewesen. Zudem bildete der Grundbesitz die Grundlage 
ihres Vermögens, da Senatoren der Betrieb eines Handelsgeschäftes rc. 
verboten war. Run wäre ihnen der Grundbesitz geschmälert worden, im 
Laufe der Zeit hätte er sich durch Erbtheilung zerstückelt und so hätte 
der Adel nothwendig verarmen müssen, da der Kapitalbesitz gar leicht 
verloren oder verschleudert werden kann, während der Grundbesitz immer 
sicher bleibt. Der Adel glaubte also einen Kampf für seine Eristenz 
wagen zu müssen und bot deßwegen alle Mittel auf. 
Zuerst gingen beide Theile auf dem gesetzlichen Wege. Ein Tribun 
Oktavins setzte dem Gracchus sein velo entgegen und ließ sich nicht um- 
stimmen weder durch Bitten noch durch Drohungen; dafür hinderte Grac- 
chus durch sein veto den Gerichtsgang und versiegelte die Schatzkammer. 
Durch den Widerstand erbittert ließ er bei seinem zweiten Vorschlag die 
Klauseln zu Gunsten der Inhaber von Staatsland weg; Oktavius hin- 
derte die Abstimmung. Die Aufregung des Volkes wurde drohend; Grac-
	        
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