Full text: Die Weltgeschichte. Erster Theil. Das Alterthum. (1)

Marius und Saturnin. Der Bundesgenossenkrieg. 801 
Marius fügsam, welcher sagte, man könne die Giltigkeit der Volksver- 
sammlung, welche den Beschluß gefaßt hatte, später umwerfen; er wußte 
aber wohl, daß die Soldaten sich um keinen Senatsbeschluß bekümmern 
würden. So hatte Marius dem Volke bewiesen, daß es nur dann 
Meister sei, wenn ein Mann aus seiner Mitte eine bewaffnete Macht 
zu seiner Verfügung habe. Die Gracchen, die vergleichungsweise so 
billig und gesetzlich vorgingen, hatte man todtgeschlagen und ihr Acker- 
gesetz bei Seite geschoben; den Marius aber fürchteten der Senat und 
die Reichen, sie wagten nichts gegen ihn; obwohl er seinen römischen 
und italienischen Soldaten zehnmal so viel schenkte, als die Gracchen den 
armen Bürgern nur unter Bedingungen zuweisen wollten; das gemeine 
Volk wußte also, wie es zu etwas kommen konnte. Doch sträubte sich 
die bessere Natur des römischen Volkes noch einigemal; Saturnin wurde 
nicht zum Konsul gewählt und ermordete den gewählten; seine Anhän- 
ger, die Hefe der Stadtbevölkerung, trieben es hierauf so arg, indem 
sie alle Gesetze verhöhnten, daß Marius als Konful einschreiten mußte. 
Das Volk wandte sich gegen die Rotten, vertrieb sie von dem Forum 
auf das Kapitol, stürmte dieses, schlug alles um Saturnin nieder und 
riß ihn selber in Stücke (100 v. Chr.). 
Neunzehntes Kapitel. 
Der Lundesgenossenkrieg (90—88 v. Chr.). 
Einige Jahre verslossen hierauf ziemlich ruhig, kaum daß die Feind- 
schaft der Parteien sich zu Gunsten des Marius und des Sulla kundgab, 
in welchem die Partei der Reichen einen Anführer gewonnen zu haben 
glaubte; dagegen erhob sich nach 10 Jahren ein Krieg in Italien selbst, 
in welchem Rom noch einmal um die Oberherrschaft kämpfen mußte, die 
es nach einer Anstrengung von fast 400 Jahren errungen hatte. Die 
italischen Bundesgenossen hatten es nicht vergessen, daß schon der füngere 
Gracchus den Latinern das Bürgerrecht verschaffen wollte; dieser Wunsch 
mußte in ihnen immer neu erwachen, weil nur das volle Bürgerrecht 
vor Mißhandlungen und ungerechter Besteuerung, die sich römische Ma- 
gistrate oft erlaubten, hinreichend schützte. In dem Volkstribunen Livius 
Drusus, der damals den zusammengeschmolzenen Senat durch 300 Ritter 
auf 600 Mitglieder verstärken wollte, bekamen sie einen Fürsprecher, der 
alles für sie in Bewegung setzte, seitdem er selbst von dem Senate auf- 
gegeben war. Sie waren in gespannter Erwartung, als auf einmal die 
Nachricht erscholl, Drusus sei vor seiner Hausthüre von unbekannter 
Hand mit einem Messer durchstochen worden. Auf dieses wurde zu As-
	        
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