Das goldene Zeitalter der römischen Literatur. 341
die Römer für kein Unrecht; wie sie Länder und Städte mit ihren Kunst-
schätzen eroberten, so eigneten sich ihre Dichter und Schriftsteller auch
auf ihrem Gebiete die fremden Schäte an), daneben schwebt er aber
oft auf den Schwingen seines eigenen Genius und ist namentlich, wenn
sein Lied das alte Römerthum berührt, ein ächter Römer. Unübertreff-
lich und originell sind seine Episteln und Satiren, die uns tiefe Blicke
in die gesellschaftlichen Zustände des damaligen Roms gewähren und
jene Philosophie entwickeln, welche für einen gebildeten Römer die einzig
mögliche war, wenn er nicht mit sich selbst zerfallen oder gegen die Ge-
walt des Cäsars ankämpfen und vernichtet sein wollte.
In der Tragödie haben die Römer so viel als nichts geleistet; ihre
Vorzeit war ihnen keine mythische, denn selbst Romulus und Numa
Pompilius waren ihnen scharf ausgeprägte politische Charaktere, große
Staatsmänner, und der Römer erlaubte es dem Dichter noch weniger
als der Grieche in das eigentliche Gebiet der Geschichte einzugreifen, den
geschichtlichen Charakter der handelnden Personen, die Beweggründe ihrer
Handlungen und diese selbst in einem anderen Lichte erscheinen zu lassen,
als geschichtlich beglaubigt war. Daher entzog sich das Drama der Ge-
schichte und waltete nur auf dem Gebiete der Mptbe, welches dem Rö-
mer zu beschränkt und unfruchtbar erschien.
Dagegen war ihnen die Komödie eine Lieblingssache; ächt italienisch
waren die atellanischen Schwänke, die Stadt= und Landvolk ergötzten;
ebenso ist der treffliche Plautus eine gesunde römische Natur, seine Ko-
mödien enthalten eine Fülle von Witz und seine Charaktere bezeugen
durch „das urkräftige Behagen“, welches ste erregen, daß sie aus dem
römischen Leben gegriffen sind. Attisch fein und größtentheils nach grie-
chischem Muster schaffend ist Terentius Afer, der als punischer Sklave
nach Rom kam und daselbst als Freigelassener und Freund des jüngeren
Scipio lebte; er arbeitete für den feineren Geschmack der griechisch ge-
bildeten vornehmen Welt und gefiel dem großen Publikum nicht ganz.
Beredsamkeit.
Ausgezeichnete Redner besaßen die Römer in Menge; wie konnte
es auch anders sein bei der republikanischen Verfassung und der öffent-
lichen Rechtspflege Aber gerade von diesem durch und durch römischen
Zweige besitzen wir verhältnißmäßig wenig. Die Geschichtschreiber geben
uns allerdings die Reden berühmter Feldherren, der Volkstribunen und
Staatsmänner, aber diese sind nichts anderes als Proben der rednerischen
Ausbildung des Geschichtschreibers selbst. Nur von Cicero, allerdings
dem größten römischen Redner, der aber seine griechische Bildung nicht
verläugnen kann, sind Originale auf uns gekommen, während doch von
Hortensius, Antonius und namentlich von Cäsar, der auch als Redner