Full text: Die Weltgeschichte. Erster Theil. Das Alterthum. (1)

Der römische Pöbel. 345 
er in ihnen fortleben konnte. Denn als das Verhängniß über das 
römische Reich hereinbrach, das Kriegselend, so verkümmerte auch dieser 
sogenannte mittlere Mann größtentheils, wie er denn überhaupt nie- 
mals und nirgends im Stande gewesen ist, durch sein ruhiges Beharren 
den Gang einer Bewegung zu hemmen, welche durch die höchsten Stände 
angefangen und durch das Proletariat weiter getrieben wird. 
Der rämische Pödel. 
Das gerade Widerspiel der provinzialen ländlichen Bevölkerung 
boten die großen Städte und vor allem ihr Muster, Rom, in welchem, 
alle Notabilitäten zusammenslossen, wie auch die Hefe des ganzen Reichs 
sich dort wie in einer Grube ansammelte. „Ich habe eine Stadt von 
Ziegelsteinen übernommen“, rühmte Augustus, „und hinterlasse eine von 
Marmor“; er hätte beifügen dürfen, daß vor ihm die Stadt der Schau- 
platz von Parteikämpfen und blutigen Unordnungen gewesen sei, unter 
ihm aber in ungestörter Ruhe und Ordnung dahinlebe; daß er die Plebs 
bescheiden und die vornehmen Geschlechter einig gemacht habe. Die 
Nlebs war nämlich in sofern bescheidener geworden, als sie nicht wie in 
den letzten Zeiten ihrer Souveränität dem Senate durch Tribunen jeden 
Trotz und Uebermuth bot und die Gesetze nach Belieben gelten oder nicht 
gelten ließ; sie hatte in dem Cäsar ihren Meister, erzürnte aber auch 
diesen manchmal durch ihre Ungenügsamkeit und fast noch mehr durch ihre 
Maulfreiheit, die sie sich dann und wann herausnahm. Sie bekam Brot, 
Spiele, manchmal auch Geld (panem et Circenses, congiaria)),, und 
doch gedachte sie noch einige Zeit der Republik und hoffte von dem 
Stiefsohne des Augustus, dem Drusus Nero, dieser werde Rom die 
Freiheit wieder geben. Ein dunkles Gefühl der Schmach drängte sich 
also selbst dieser entarteten Masse auf; das Kapitol, die vielen Denk- 
mäler aus der republikanischen Zeit, die noch nicht ausgetilgte Erinne- 
rung an die Großthaten der alten Pebs, dies alles mußte ihr bisweilen 
zuflüstern, daß ein müßiggängerisches Volk, welches auf allgemeine Kosten 
gefüttert wird, und dessen Hauptgeschäft in dem Zuschauen bei den blu- 
tigen Spielen des Amphitheaters und den unblutigen des Theaters, im 
Gezänke und Wetten, im Räsonnieren und im Jagen nach Neuigkeiten 
besteht, eine erbärmliche Rolle spiele. Und wie viele Blutschuld lud 
nicht diese Plebs durch ihren rasenden Hang für die Gladiatorenkämpfe 
auf sich! So weit gingen die Hellenen in der Verachtung des mensch- 
lichen Lebens niemals, daß sie dessen kunstgerechte Vernichtung zum 
Schauspiele machten; Menschenopfer hatten sie zur Zeit des trojanischen 
Krieges, selbst im messenischen Kriege noch, jedoch nur als Ausnahmen, 
die Römer dagegen gestalteten die tuskischen Menschenopfer (das waren 
ursprünglich die Gladiatorenkämpfe, indem man die Opfer ihr Blut
	        
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