Die hochgebildeten, vornehmen Römer und der kaiserliche Despotismus. 347
den Cäsar selbst erschienen, und durfte dieser dergleichen dulden, wenn
seine Majestät nicht gefährdet werden sollte? Auch im Kriege hatte die
römische Tugend geglänzt; das Gebiet der Republik zu mehren war der
Angelpunkt dieser Tugend, und darum galt dem republikanischen Römer
kein Bölkerrecht, war doch der Stolz einer Nation schon hinreichender
Grund zur Demüthigung derselben. So hatten die alten Patricier Krieg
aus Krieg erwachsen lassen und mit einander in der Verherrlichung
Roms und ihres eigenen Namens gewetteifert; jetzt aber hielt der Cäsar
die Kriegsherrlichkeit in der Hand und hütete sie mit strenger Eifersucht;
er konnte es nicht dulden, daß ein siegreicher Feldherr von dem Heere
als imperator ausgerufen wurde, denn aus dem Imperator des Heer-
lagers war die cäsarische Macht aufgeblitzt und hatte den Senat zer-
schmettert, ein zweiter Imperator konnte ja ebenso den Cäsar überwäl-
tigen; deßwegen wurde die Politik der Cäsaren eine friedliche, wenn sie
nicht selbst ihrer kriegerischen Befähigung sicher waren, und darum be-
hielten sie den Titel imperator für sich ebenso wie die Ehre des
Triumphes. Die altrömische Tugend bestand darin: sich auszuzeichnen
im Frieden und Krieg und in dem Ruhm und der Größe der Republik
den eigenen Ruhm und die eigene Größe zu suchen; darum hatte auch die
alte ehrenhafte Plebs mit solcher Ausdauer um das volle Römerrecht
gerungen. Nun war dies alles vorbei, alles der cäsarischen Gnade an-
heimgegeben. Kato, der in Julius Cäsar nicht einen zweiten Sulla,
sondern den Gründer der Militärmonarchie sah und diese als unaus-
bleibliche Nothwendigkeit betrachtete, wollte als tugendhafter Republikaner
sterben und tödtete sich. Brutus aber, der im Gefolge des Cäsar nur
einen Antonius, Lepidus u. dgl. erblickte, der die Veränderung der Plebs
in einen Pöbelhaufen und der Legionen in Soldaten des Feldberrn nicht
begriffen hatte, beging mit der Ermordung Cäsars zugleich einen großen
Irrthum, und gab sich nach der Schlacht von Philippi an Rom und
der Tugend verzweifelnd den Tod (er war allerdings der letzte Römer,
wie ihn der Schriftsteller Kordus unter Tiberius nannte und dafür
sterben mußte). Doch zuckte die altrömische Legensregung noch unter
Augustus und den nächsten Imperatoren auf; verschwor sich doch Cinna
gegen Augustus, Tiberius mußte bei seiner Nachfolge im Senate hören,
daß sein Spiel durchschauet werde, und nach der Ermordung Kaligulas,
des dritten Cäsar, dachte der Senat sogar an die Wiederherstellung der
Republik, aber die Prätorianer bewiesen ihm, daß die Zeit des Senates
und der Republik für immer aus sei. Wo sollten nun die Römer, in-
welchen der alte Sinn noch nicht erloschen war, die dem Cäsar nicht
willig dienen konnten, die es empfanden, daß sie einen „Herrn“ hatten,
so gut als die Völker, „welche regiert werden“, ihren Trost suchen?
In der Erniedrigung des römischen Volkes unter dem schrankenlosen