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dies Genußleben erschöpft sich selbst gar bald, dem römischen Charakter war
eine vollständige Hingebung an diesen Trost der gemeinsten Naturen
zu fremd, als daß sich nicht tödtlicher Ueberdruß eingestellt hätte. Da-
her das sonderbare Schauspiel, daß die epikureischen Römer sich so häufig
den Tod geben oder den natürlichen und gewaltsamen Tod so leicht hin-
nehmen; das war römischer Weltschmerz. Einzelne Römer vom härtesten
Metalle wandten sich der stoischen Philosophie zu, von der die Götter
ebenfalls pensioniert worden waren; welcher denkende Mensch hätte auch
im Ernste mit den unzähligen Göttern etwas anzufangen gewußt, da
es doch offenbar war, daß Zeus und Pallas Athene den Griechen so
wenig geholfen hatten als Ostris und Isis sammt dem Serapis und Apis
den Aegyptern und daß die „Tugend“ eines Kato und anderer Repu-
blikaner bei den römischen keinen Schutz gefunden hatte. Aber die Stoa
erklärte das sinnliche Vergnügen als werthlos, die „Tugend“ dagegen
als das einzige Glück des Lebens und forderte von dem tugendhaften
Manne, daß er dem Schicksale trotze, welche Uebel es auch über ihn ver-
hängen möge, denn diese Uebel seien keine und nur das Laster verdiene
diesen Namen. Diese stoische Philosophie war in Griechenland durch Zeno
entstanden, als die griechische Freiheit verloren und das politische Leben
bereits erloschen war; sie ist ein anderer Ausdruck der Verzweislung an
Göttern und Menschen, wie es die epikureische ist; der Epikureer suchte
dem Uebel des Lebens zum Trotze so viel des Angenehmen und Erfreuen-
den für sich zu retten als möglich war, der Stoifker aber achtete die
Frenden und Uebel für gleich wenig werth und hüllte sich in seine stolze
Tugend wie in ein Leichentuch. Diese Stoiker waren dem Augustus nicht
werth, er liebte vielmehr die Männer des Epikur (nicht aber die flagran-
ten Wüstlinge), wie Cäsar den Antonius und Dolabella, die fetten und
langhaarigen Gesellen, gegen jeden Verdacht in Schutz nahm, dagegen
aber die bleichen und mageren Brutus und Kassius für verdächtig er-
klärte. Indessen gab es dennoch vornehme Römer und im weiteren Ver-
laufe der Kaisergeschichte immer mehr und mehr, welche fremdem Aber-
glauben anhingen; wenn sie auch an dessen Kulte sich nicht betheiligten,
so nahmen sie doch vielfach die Orakel der Isispriester und verbrecherische
Wissenschaft der Chaldäer in Anspruch, und dies thaten solche oft am
ehesten, welche als Freigeister und Verächter der Götter galten. Diese
Erscheinung hat sich noch bei jedem Volke wiederholt, das seinem Unter-
gange entgegenging; der Glaube der Väter erlischt, aber die Furcht vor
höheren Mächten läßt sich nicht vertreiben, daher fallen in solchen Zeiten
die nationalen Tempel zusammen oder stehen verödet, während der eine
und andere neue Glaube oder Aberglaube Anhänger findet und um so
mehr, je geheimnißvoller derselbe auftritt. Augustus sah diese Dinge
mit großem Mißfallen; er belobte seinen Enkel, weil er zu Jerusalem,