360. Das Reich der Cäsaren.
leitsherr einen Landstrich, so verlieh er den Männern seines Gefol-
ges einzelne Stücke von demselben, wodurch diese aber zu seinem
Geleite, d. h. seinem Waffendienste verpflichtet wurden (Ursprung der
Leben).
Wahrscheinlich gab es schon bei den alten Germanen Abstufungen
der Freiheit und Leibeigenschaft. Die Leibeigenen der Germanen hatten
zwar kein Recht, doch lebten sie unter dem Schutze ihres Herrn erträg-
licher als die Sklaven der Griechen und Römer; sie hatten eigene Woh-
nung und eigenes Hauswesen, wofür sie dem Herrn Abgaben von Feld-
früchten und Vieh, sowie von den Erzeugnissen ihres rohen Gewerb-
sleißes lieferten. Ob diese Leibeigenen wohl deutschen Stammes waren?
Theilweise scheint dies stattgefunden zu haben, denn die Römer erzählen
uns, daß einzelne Deutsche ihre Freiheit (und damit die ihrer unmün-
digen Familie) durch das Würfelspiel verloren, und daß ganze Stämme
von andern unterjocht wurden, in welchem Falle alles, was nicht er-
schlagen wurde, der Leibeigenschaft versiel. Jedoch reichte dieser Erwerb
von Leibeigenen keineswegs hin, und wir müssen annehmen, daß die
meisten Leibeigenen nicht von germanischer Nationalität waren. Dies
Loos scheint vorzüglich die gallischen oder keltischen Stämme getroffen
zu haben, welche vor den Germanen (und zwar noch in der historischen
Zeit) den größten Theil Deutschlands besetzt hatten. Dafür sprechen die
verschiedenen Benennungen der Leibeigenen, welche nachweisbar aus der
gallischen Sprache genommen sind, z. B. bei den Bayern „aldiones“.
Auch läßt es sich nur durch eine starke fremde Beimischung erklären,
weßhalb die Bevölkerung verschiedener deutscher Landstriche, in die nie-
mals eine fremde Einwanderung stattfand, so wenig von den phyfischen
Merkmalen an sich trägt, welche als eigenthümlich deutsche bezeichnet
werden.
Lebenswelse.
Wie uns die Römer die Lebensweise der Deutschen beschreiben, so
war diese eine barbarische und darum auch sehr einfache. „Die freien
Männer jagen, spielen, trinken, essen, und wenn sie nichts dergleichen
treiben, so schlafen sie am Feuerherde, unbekümmert um Schmut und
Asche, welche durch einen Sprung in den Fluß abgewaschen werden,
denn sie lieben das frische Bad in jeder Jahreszeit.“ Ihre Nahrung
war Milch, Fleisch von zahmen oder erjagten Thieren (damals hauste
noch der Elchbhirsch und der Wisantstier in den Forsten), wildes Obst;
da sie auch Ackerbau trieben, so kann ihnen Brot und Mehlspeise nicht
fremd gewesen sein, später wenigstens erscheint der Haferbrei als die
gewöhnlichste Kost. Den Wein liebten sie sehr, konnten aber in der
Regel seiner nicht habhaft werden, weil er zu theuer war, und muß-