362 Oas Reich ver Cäsaren.
nach dem westlichen und südlichen Europa durchbrachen. Dieses geschab
erst später; denn die Vorsehung wollte Europa nicht in neue Barbarei
versinken lassen, was unfehlbar gescheben wäre, wenn die wilden Ger-
manen die klassische Kultur zerstört hätten, bevor die Aussaat des Chri-
stenthums in dem römischen Reiche vollendet war.
Viertes Kapitel.
Ciberius (14 - 37 n. Chr.).
Auguftus starb (13 n. Chr. am 19. August, 75 Jahre, 10 Monate,
26 Tage alt) zu Nola in Kampanien (ein Senator beschwor, daß er
ihm erschienen sei und seine Himmelfahrt gemeldet habe), und ihm folgte
nun sein Stiefsohn Tiberius. Dieser hatte sich im Kriege als großer
Feldherr und in den Unterhandlungen als ausgezeichneter Politiker be-
wiesen, aber dennoch freuten sich weder Senat noch Volk auf den neuen
Herrscher. Er war ein stolzer, finsterer Klaudier, der dem Vollke seine
Verachtung schon dadurch zeigte, daß er an den öffentlichen Spielen kein
Wohlgefallen äußerte, welche doch die größte Liebhaberei des Volkes
waren. Auch der Senat wußte, daß der Kaiser nur mit Mühe den
Schein der Achtung sich abzwang und das ganze Kollegium als ein
niederträchtiges Werkzeug ansah, welches nun einmal gebraucht werden
mußte, aber seinem eigenen Herrn gefährlich werden konnte, da es an
bösem Willen nicht fehlte. Augustus selbst hatte die edlere Anlage des
Tiberius geknickt; er trennte ihn von seinem Weibe, das er liebte, und
verbannte es, als ihm berichtet wurde, Tiberius habe es einmal zufällig
getroffen und ihm mit nassen Augen nachgeschaut. Dafür gab ihm der
Kaiser seine Tochter Julia, deren ausschweifendes Leben stadtkundig war,
nnd diese verachtete ihren Gatten, der damals noch keine Aussicht auf
die Thronfolge hatte. Er entfernte sich freiwillig aus Rom und lebte
in Rhodus wie ein Verbannter (6 v. Chr. bis 2 n. Chr.), denn Au-
zustus verweigerte ihm lange die Erlaubniß zur Heimkehr. Die zwei
Söhne des Marcellus und der Julia, die nächsten Thronerben, liebten
ihn nicht und der eine von ihnen ließ sogar Drohungen hören; was
konnte Tiberius nach dem Hinscheiden seines Stiefvaters anderes erwar-
ten als gewaltsamen Tod Doch die jungen Cäsaren starben schon als
Jünglinge durch die Mutter des Tiberius, Livia (wurde allgemein ge-
glaubt), welche den alternden Augustus beherrschte und für ihren Sohn
wirkte. Tiberius wußte wohl selbst am besten, wie er Cäsar geworden,
und gerade weil er die Geheimnisse des Palastes und der vornehmen