376 Das Reich der Cäsaren.
bens sind, in der Unterwelt ewige Pein leiden müssen; die Christen
verdammen also das ganze Menschengeschlecht, sie haben gegen dasselbe
den gleichen Haß wie die Juden (odium generis humani);; sie sprechen
viel von einem Reiche, das ihnen gehöre u. s. w. Außerdem halten
sie Zusammenkünfte, von denen sie jeden Nichtchristen ausschließen, haben
einen geheimen Götterdienst, wo sie ein Opfer darbringen, das verbre-
cherischer Art sein soll, wenigstens verlautet, daß sie Menschenblut trin-
ken; sie unterstützen einander, meiden aber alle Festlichkeiten ihrer römi-
schen Nachbarn. Aehnliches wurde jedenfalls dem Kaiser berichtet und
demzufolge konnte er nur zu der Ueberzeugung kommen: das Christen-
thum untergräbt das Reich, es nimmt die gesammte religiöse Unterlage
desselben weg; diese Menschen kennen kein römisches Reich, sondern sie
erwarten die Ankunft eines Helden, der aus orientalischem altkönigli-
chem Blute entsprießen und eine ewige Dynastie begründen soll; solche
Leute können keine Römer sein, sie müssen entweder vertilgt oder von
ihrem Aberglauben weggerissen werden. Hätten sich Trajan und seine
Statthalter besser unterrichten wollen, so konnten sie allerdings erfahren,
daß den Christen ihre Religion nicht Menschenhaß, sondern Menschen-
liebe gebiete, daß sie zwar den Götterdienst und die Götzendiener ver-
damme, aber alle Menschen zu ihrer Seligkeit rufe, wofern sie nur hören
wollen; der Kaiser und seine Beamten hatten Gelegenheit, zu erfahren
und sich zu überzeugen, daß das Reich Christi nicht von dieser Erde sei
und dem Kaiser seine Unterthanen nicht entfremde, sondern denselben
gegentheils Gehorsam und Treue gebiete; es mußte ihm einleuchten, daß
die Gerüchte von blutigen Opfern abscheuliche Lügen seien, kurz, daß
der brüderliche Bund der Christen die Bürger römischen Glaubens be-
einträchtige und dem Reiche nicht die mindeste Gefahr bringe: aber dem
Römer blieb das Christenthum eine staatsgefährliche und eines Mannes
unwürdige Thorheit, sein ererbter Stolz verstockte ihn, das Christenthum
verlangte von der Selbstsucht zu viele Opfer, und daher kommt es, daß
fast alle römischen Kaiser das Christenthum verfolgten, die bessern, weil
sie es für unvereinbar mit römischem Wesen hielten, das ewig dauern
sollte, die schlechten, weil es sie ärgerte, daß es gute Menschen geben
sollte, die ihrer Wuth durch Geduld Trog boten.
Als Trajan seine Verfolgung eröffnete, fehlte es in der verderbten
Welt nicht an Anklägern, die sich ein Geschäft daraus machten, recht
viele Christen vor die Tribunale der unerbittlichen Prokonsuln und Prä-
toren zu führen, und diese quälten und mordeten die Christen auf jede
Weise, da die Todesart in der Willkür des Richters stand. Der Pro-
konsul von Bithynien, Minius der jüngere, der gelehrte Freund des
Kaisers, nahm sich die Mühe, die Christen etwas genauer zu beobachten,
und er fand, daß diese „Abergläubigen nicht so sehr strafbar seien, denn