Full text: Die Weltgeschichte. Erster Theil. Das Alterthum. (1)

Schluß. 405 
und absetzten. Da gefiel es endlich dem Odoaker, sich zum König von 
Italien zu machen und den römischen Titel auszuwischen. 
Das römische Reich ist aufgelöst; die ehemaligen Provinzen sind 
germanische Königreiche; die römische Landbevölkerung ist zinspflichtig 
oder leibeigen, der größere Theil aber durch Hunger und Seuchen auf- 
gerieben oder durch das Schwert der Barbaren niedergemäht, nur in 
Italien, Spanien und in Gallien hat sich in den Städten ein bedeuten- 
des römisches Element erhalten. Doch sind die meisten Städte halb oder 
ganz zerfallen, der größte Theil der Aecker wüste, die Straßen versunken 
und überwachsen, die Gränzwälle und Kastelle Trümmerhaufen. 
Aus Schutt und Ruinen aber ragt die Kirche um so herrlicher em- 
por; in Rom ist kein Cäsar mehr, dafür aber der christliche Völkerhirte, 
und als die Germanen. auf seine Stimme hören, werden sie ihrer Würde 
und großen Bestimmung erst inne und beeifern sich dieselbe zu erfüllen; 
jetzt erst erhebt sich ein Reich deutscher Nation, das als „beiliges 
römisches Reich“ eben so sehr seine politische Größe als seine christliche 
Weihe beurkundet. Des Tacitus Ahnung, daß die Germanen berufen seien, 
die Herrschaft Roms über Europa zu erben, ist in Erfüllung gegangen, 
aber in anderer Weise, als des Römers trüber Blick zu schauen ver- 
mochte, denn ihm war das Christenthum nur „ein neuer Aberglaube“, 
weßwegen er auch die Anfänge der neuen Weltordnung nicht erkannte.
	        
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