Phönikien. 31
eine reiche Handelsstadt, wurde aber seit 1200 v. Chr. von Tyrus
überflügelt. Die Waaren aus Indien und dem fernen Innerasien ka-
men den Stromweg des Euphrat berauf und wurden durch die Kara-
wanen der Hirtenfürsten, die große Heerden von Kameelen und Maul-
thieren besaßen, nach Damaskus, Palmyra und Baalbek, und von da
in die Seestädte der Phönikier gebracht, oder sie wurden zu Schiffe
den Sabäern zugeführt und auf der langen Karawanenstraße in Ara-
bien in die Handelsstädte am Mittelmeere geliefert. Aus den Häfen
des rothen Meeres, Elat und Eziongeber, im Lande der Edomiter
(Jdumäer), aus denen in alter Zeit mit Ophir und Saba ((letzteres
im sogenannten glücklichen Arabien, Ophir ist nach der neuesten An-
nahme Kambay auf der Küste Malabar) verkehrt wurde, erhielten sie
Gold, Edelsteine und Spezereien; die Reste der Felsenstadt Petra (von der
ein Theil Arabiens das peträische heißt) beurkunden noch heut zu Tage, daß
hier eine bedeutende Handelsstadt blühte, die mit dem Untergang der
Städte Phönikiens verödete. Die Phönikier selbst haben Elat und Ezion-
geber (deren Bedeutung in unserer Zeit Suez erlangt) wohl nie inne
gebabt, aber König Salomo sandte von da Handelsschiffe aus, welche
er mit pbönikischen Seeleuten bemannt hatte. Spiter befuhren sie im
Dienste des Pharao Necho, um 600 v. Chr., das rothe Meer und
umschifften selbst den Erdtheil Afrika, wozu sie drei Jahre gebrauchten,
ungefähr so viel Zeit als jetzt die Umschiffung des Erdballs erfordert.
Zur allgemeinen Verwunderung erzählten sie bei ihrer Zurückkunft, daß
ibnen die Sonne lange Zeit links gestanden sei, und darum bezweifelte
Herodot die Wahrheit dieser Umschiffung, weil es ihm unmöglich schien,
daß die Sonne irgendwo um die Mittagszeit gegen Norden und nicht
gegen Süden stehe. Aber gerade dieser Umstand beweist die erste Um-
schiffung des Kaps der guten Hoffnung, welche erst im 15. Jahr-
hundert n. Chr. durch Vasko de Gama wieder ausgeführt wurde; denn
wenn der nordische Seefahrer über den Aequator vorrückt oder die Linie
passiert, so beschreibt ihm die Sonne ein halbes Jahr lang ihren Ta-
gesbogen zwischen seinem Scheitelpunkt und dem Nordpole. Die See-
fabrten der Phönikier gingen jedoch naturgemäß hauptsächlich an die
verschiedenen Küsten des mittelländischen Meeres, nach Aegypten, Nord-
afrika, Griechenland, Italien, Gallien und Hispanien; sie wagten sich
selbst über die Säulen des Herkules (Meerenge von Gibraltar) hinaus,
kamen aber nicht bis England und in das baltische Meer. Von
Aegypten brachten sie Byssus, Elfenbein und Getreide, aus Nordafrika
Goldstaub, Elfenbein, Wolle und Sklaven, aus Griechenland Wein und
Getreide, in Spanien tauschten sie Silber und Eisen, aus Gallien
brachten sie Zinn, das aus England herüber kam; der Bernstein, welcher
damals den Werth des Goldes hatte, kam von den Küsten der Ostsee