52 Die ältesten Völker bis zur Gründung der Persermonarchie.
enthält das Gesetz sehr scharfe Bestimmungen, denn das Volk sollte in
Zucht und Ehrbarkeit leben und es nicht den Heiden gleichthun, die da
Gewohnheiten und Gebräuche zuließen und selbst durch Götterdienst
heiligten, durch welche die Familie ihre hohe Würde verliert und zu
einem thierischen Zusammenleben herabsinkt. Israel selbst, die ganze
Nation, sollte eine große Familie sein, seine Stämme Bruderstämme;
wie der Familie ihr Erbgut, so sollte dem Stamme sein ausgeschiedenes
Land ungemindert verbleiben. So beschränkte das Gesetz auch die ganze
Nation; wie sie von ihrem Gebiete nichts abtreten durfte, ebenso wenig
war es ihr gestattet, Eroberungen über andere Völker zu machen. Das
Land war groß und fruchtbar genug, um alle seine Bewohner zu näh-
ren, darum wurde ihnen befohlen: „Bleibe im Lande und nähre dich
redlich"“. Das Volk Gottes sollte seinen Ruhm und seine Größe nicht
in der Unterjochung anderer Nationen suchen, seine Söhne sollten nicht
ausziehen, damit die Heerführer Schlachten gewännen, Städte plünderten
und den Flammen übergäben, mit reicher Beute zurückkämen und sich
dann durch die vaterländischen Gesetze, welche jedem Jeraeliten sein
mäßiges Gut, seine Freiheit und sein Recht sicherten, eingeengt fühlten
und zur Ueberhebung über ihre Mitbürger gereizt würden. So wollte
das Gesetz das Blut der Landeskinder sparen, und so schützte es eben-
dadurch das friedliche Nachbarvolk vor Angriff und Beraubung; der
Wehrhaftigkeit Israels aber that dieß keinen Eintrag, nur sollte sie
allein in der Vertheidigung des Vaterlandes ihre Kraft erproben und
ihre Helden zeigen. Das Land war reich an den stärksten Lagen, hatte
eine Menge Bergvesten und Städte mit trefflichen Mauern, die Jüng-
linge und Männer waren abgehärtete Ackerbauer oder kräftige Hirten,
die ganze Nation durchdrungen von ihrer Würde, gehoben durch die
Zuversicht auf den Beistand ihres Gottes — so mußte sie im Stande
sein, den Angriff übermächtiger Feinde siegreich zurückzuschlagen, und sie
that es auch wirklich, so lange sie dem Gesetze treu verblieb und sich
nicht mit den fremden, d. h. mit heidnischen Lastern befleckte. Vor dieser
Ansteckung wurde sie unaufhörlich gewarnt, und nur deßwegen war auch
der friedliche Verkehr mit den Fremden möglichst beschränkt. Der im
Lande weilende Fremde konnte in keiner Weise Bürgerrecht erlangen;
wie hätte auch ein Heide die Pflichten des Israeliten zu erfüllen ver-
mögen, waren diese einander nicht widerstrebend wie Feuer und Wasser?
Nur wenn der Heide Jehova erkannte und seinen Göttern abschwor,
wurde er der Genosse Israels. Blinder Haß gegen die Fremden war
dessenungeachtet kein Gewächs, das in dem Boden des mosaischen Ge-
setzes wuchs, denn dieses befahl Gerechtigkeit und Milde gegen den
Fremdling und erinnerte ausdrücklich, daß auch Israel einmal Fremdling
gewesen sei. Der Haß gegen andere Völker, welcher den Juden späte-