308 Zeitalter der Revolution.
Sechstes Kapitel.
Der Bürgerkrieg in der Bendéee.
Tyon, Marseille und Toulon wieder erobert (19. Dezember 1793).
Während Robespierre mit seiner Partei die Guillotine arbeiten
ließ und zur Abwechslung Kalender machte oder dem höchsten Wesen
Feste hielt, hatte in der Vendée der wüthendste Bürgerkrieg begonnen,
durch den dieselbe mit Leichen und dampfenden Schutthaufen überdeckt
wurde. Die Vôéende ist eine einförmige Landschaft, das alte Unter-
poiton, zwischen der unteren Loire und Charente, von Höhenzügen über-
spannt, die kaum den Namen Berge verdienen und sich vielfach in kleine
Hochflächen ausbreiten. Heerstraßen durchschnitten sie nicht; der Verkehr
mußte sich mit Fahrwegen begnügen, die oft zu Hohlwegen eingeschnitten
waren (denn die ursprünglichen, nicht geometrischen Wege suchen überall
die natürlichen Einschnitte des Bodens auf); Felder und Weiden waren
durch Hecken und Gräben von einander geschieden, Dörfer und Häuser
weit auseinander gelegen. Hier hauste das Landvolk nach seiner alten
Weise fort; es baute sein Feld, weidete sein Vieh, gab dem Könige
seine Steuern und entrichtete an seine Edelleute und Geistlichen, was
diesen zustand. Nun kam die Revolution; die Edelleute sollten ihre
Titel nicht mehr führen und ihre besonderen Plätze in den Dorfkirchen
nicht mehr einnehmen, aber die Bauern gaben ihnen die altgewohnte
Ehre und duldeten die Wegschaffung der Herrenstühle in den Kirchen
nicht. Ihre Priester verweigerten den Eid auf die Verfassung, welche
die Kirche gefährdete und sich wie das Geschöpf eines Zauberers in
immer neue Gestalten verwandelte; dafür wurden sie vertrieben, einge-
kerkert und ermordet, die Bauern aber liebten ihre Geistlichen und ver-
ehrten die Kirche, sie blieben ihr treu und wollten von keiner Gattung
der Pariser Aufklärung etwas annehmen. Endlich wurde der König
gefangen und ermordet, die Königin zuerst mit überlegter Grausamkeit
gequält und endlich geschlachtet, die christliche Religion abgeschafft, Frank-
reich mit Blutströmen übergossen, den auswärtigen Mächten, die dem
Könige helfen wollten, ein Krieg auf Leben und Tod angekündigt —
in diesen Krieg sollten nun die Söhne der Bauern ziehen und die Un-
geheuer in Paris, die Königsmörder und Religionsschänder, vertheidigen.
Statt sich der Konskription, dem republikanischen Aufgebot in Masse zu
unterwerfen, erhoben sie sich in Masse gegen die Schreckensherrschaft in
Paris, als Streiter für Thron und Altar (März 1793). Der Konvent
ergrimmte und schickte seine Straßenhelden und Pickenmännerkomman-
danten, einen Santerre, Rossignol, einen ehemaligen Kupferschmied-
gesellen, der sich rühmte in den Septembertagen von 1792 mit eigener