Full text: Tagebuchblätter. Dritter Band. (3)

288 Dreiunddreißigstes Kapitel 
daß es für den Frieden nicht förderlich ist, wenn Frankreich die 
Sicherheit habe, daß es unter keinen Umständen angegriffen wird, 
es mag thun, was es will. Ich würde noch heute, wie 1867 in 
der Luxemburger Frage, Eurer Majestät niemals zureden, einen 
Krieg um deswillen sofort zu führen, weil wahrscheinlich ist, daß 
der Gegner ihn bald beginnen werde; man kann die Wege der 
göttlichen Vorsehung dazu niemals sicher genug im voraus er— 
kennen. Aber es ist auch nicht nützlich, dem Gegner die Sicher— 
heit zu geben, daß man seinen Angriff jedenfalls abwarten werde. 
Deshalb würde ich Münster noch nicht tadeln, wenn er in solchem 
Sinne gelegentlich geredet hätte, und die englische Regierung hätte 
deshalb noch kein Recht gehabt, auf außeramtliche Reden eines 
Botschafters amtliche Schritte zu gründen, und sans nous dire gare, 
die andern Mächte zu einer Pression auf uns aufzufordern. Ein 
so ernstes und unfreundliches Verfahren läßt doch vermuten, daß 
die Königin Victoria noch andre Gründe gehabt habe, an kriegerische 
Absichten zu glauben als gelegentliche Gesprächswendungen des 
Grafen Münster, an die ich nicht einmal glaube. Lord Russell hat 
versichert, daß er jederzeit seinen festen Glauben an unfre fried- 
lichen Absichten berichtet habe. Dagegen haben die Ultramontanen 
und ihre Freunde uns heimlich und öffentlich in der Presse an- 
geklagt, den Krieg in kurzer Zeit zu wollen, und der französische 
Botschafter, der in diesen Kreisen lebt, hat die Lügen derselben als 
sichere Nachrichten nach Paris gegeben. Aber auch das würde im 
Grunde noch nicht hinreichen, der Königin Victoria die Zuversicht 
und das Vertrauen zu den von Eurer Majestät Selbst dementierten 
Unwahrheiten zu geben, die Höchstdieselbe noch in dem Briefe 
vom 20. Juni ausspricht. Ich bin mit den Eigentümlichkeiten der 
Königin zu wenig bekannt, um eine Meinung darüber zu haben, 
ob es möglich ist, daß die Wendung, es sei „ein Leichtes nachzu- 
weisen,“ etwa nur den Zweck haben könnte, eine Ubereilung, die 
einmal geschehen ist, zu maskieren anstatt sie offen einzugestehen. 
Verzeihen Eure Majestät, wenn das Interesse des „Fach- 
mannes“ mich über diesen abgemachten Punkt nach dreimonatlicher 
Enthaltung hat weitläufig werden lassen. 
Die türkischen Sachen können kaum große Verhältnisse an- 
nehmen, wenn die drei Kaiserhöfe einig bleiben, und dazu können
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.