554 Die Kriegswochen von 1866 in Leipzig
so werden alle Bemühungen um die Aufklärung und Aufrüttlung
der von Beust und seinen Helfershelfern systematisch verdorbnen
Meinung dieser Kreise wahrscheinlich nur sehr mäßige Ergebnisse
liefern.
Mit Volksversammlungen kommen wir hier nicht zum Ziele.
Sie sind eine Erfindung der großen Städte, die sich in der Pro—
vinz, schon der großen Entfernungen wegen, die die meisten von
dem Orte der Zusammenkunft trennen, wohl niemals recht einbürgern
wird, und sie laufen überhaupt zum guten Teil auf Schein und
Spiel hinaus. Die beabsichtigte Landesversammlung in Glauchau
wird schwerlich viel besseres leisten. Eine Anzahl Wohlgesinnter
aus dieser Stadt, aus Meerane und Crimmitschau, aus Chemnitz
und Leipzig werden sich zusammenfinden. Auch die Dresdner
Freundchen werden ein paar Vertreter dorthin senden, nicht zur
Verbesserung der Qualität des Ganzen. Es wird die alte Bühne
mit ein paar neuen Akteurs, das alte Stück mit einigen neuen
Stellen sein. Man wird ein Dutzend mehr oder minder wohlge—
setzter Reden genießen, im Stil des Nationalvereins und nach dem
Grundsatze multi, non multum verwässernde Kompromisse schließen,
eine Reihe weiser und wohlabgewogner Resolutionen fassen und sich
dann mit dem Bewußtsein nach Hause begeben, daß die gute Sache
und das sächsische Vaterland nun gerettet wären. Die Hauptrolle
werden vermutlich strebsame Advokaten und etliche andre immer
redefertige Herren mit großen Phrasenbackentaschen spielen, die sich
mit dem Parlament nicht gedulden können, und denen jede fünf
Schock um sie versammelte Zuhörer „das Volk“ sind. „Das
sächsische Volk will“ — „das deutsche Volk bedarf.“ Nicht doch:
Hauptzweck, ihr Herren, ist euch oder der Mehrzahl von euch, daß
ihr euer Licht wieder einmal leuchten, euer Lager von Redensarten
wieder einmal an den Mann bringen könnt, wie früher bei Turner-
und Sängerfesten, die ihr wie Jahrmärkte bezogt. Die Stimme des
sächsischen, des deutschen Volkes wird man dort nicht hören, nur
eine große Täuschung über sie wird zustande gebracht werden.
Komisch ist die unter diesen „Volkspolitikern“ jetzt häufig zu
hörende Vorstellung, die Wiedereinführung des 1850 von der Re-
aktion aufgehobnen sächsischen Wahlgesetzes aus dem Jahre 1848
werde die Lage wesentlich ändern. Nur doktrinärer Aberglaube