Full text: Tagebuchblätter. Dritter Band. (3)

26. Juni 1881 Siebenundzwanzigstes Kapitel 45 
mit dem Fortschritt zu reden, und er äußerte, es wundre ihn, daß 
sie ihm so feind wären, so undankbar gegen ihn; er habe ihnen 
doch ihre politische Stellung im Reiche geschaffen. „Wenigstens 
durch meine Unterschrift,“ fuhr er fort. „Sie sollten mit mir zu- 
frieden sein. Aber sie werden mich noch zwingen, mich gegen sie 
zu verteidigen."“ 
„Wie gegen die Ultramontanen,“ sagte ich. „Dann aber werden 
Sie noch viel populärer werden, Durchlaucht, als Sie jetzt sind. 
Dann haben Sie nicht bloß die sechzig= oder hunderttausend für 
sich, die die Petition unterschrieben haben, sondern Millionen, denen 
die Judenpolitik zuwider ist." 
Er besann sich ein Weilchen, worauf er sagte: „Dann möchte 
ich, daß Sie noch ein andres Thema studierten: die Frage, wie 
es kommt, daß das Fleisch in Berlin teurer ist als in Paris, ob- 
wohl dort der Produzent mehr für sein Vieh bekommt als bei uns, 
und auch so und soviel Franken Octroi — ich glaube sechzig für den 
Ochsen — zu entrichten sind. Haben Sie bei Ihrem Blatte jemand, 
der das behandeln kann?“ 
Ich verneinte es. 
„Das sollte aber doch sein — versetzte er lächelnd — bei einem 
Blatte von solcher politischen Bedeutung. — Nun, die Sache ist 
die: bei dem neuen Viehhofe da sind dreiundzwanzig Viehkommissäre, 
durch die alles eingehende lebende Fleisch gekauft und verkauft wird, 
und die so mit der Zeit Millionäre werden müssen. Sie sind von 
niemand angestellt, weder vom Staate, noch von der Stadt, und 
doch geht das ganze Geschäft durch ihre Hände. Kennen Sie die 
Geschichte des neuen Viehhofes?“ 
Ich erwiderte: „Nein, Durchlaucht,“ und er erzählte mir sie 
nun. Ich behielt, für Dinge, in denen ich nicht zu Hause bin, und 
die mich wenig interessieren, von schwachem Gedächtnis, davon nur, 
daß ein Bankier Gravenstein, der das betreffende Terrain mit einigen 
andern besessen, und dem Ludwig Löwe Geld geliehen hatte, in 
Verlegenheit geraten sei und von Löwe sein Geld zurückgewollt 
habe, falls dieser nicht bei der Stadtverwaltung den Ankauf des 
Terrains für einen neuen Viehhof durchsetzen könnte, daß das dann 
geschehen sei, wobei Eberty genannt wurde, und daß Leute, die 
dabei behilflich gewesen wären, von der Kompagnie Land erhalten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.