Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

14. August Drittes Kapitel 73 
einen kleinen Dienst zu leisten, der ihnen aus einer Verlegenheit half. 
In der Nacht nach elf Uhr hörte ich Lärm auf der Hausflur, der 
immer stärker wurde. Nach einer Weile sah die Wirtin zur Thür 
herein und bat mich, ihr beizustehen; unfre Leute wollten mit Gewalt 
von ihr zu essen haben, und ihr Mann hatte doch jetzt nichts vor- 
rätig. Ich zog mich rasch an und fand Bäcker und Bäckerin von 
sächsischen Soldaten und Marketendern umringt, die sie ungestüm 
um Brot bestürmten, wobei ich ihnen die Gerechtigkeit widerfahren 
lassen muß, daß sie dessen dringend bedurften, und daß sie es nicht 
umsonst haben wollten. Es waren aber nicht mehr als zwei oder 
drei Laibe noch vorhanden. In Anbetracht dessen denke ichs recht 
gemacht zu haben, wenn ich ein Kompromiß vorschlug, nach dem 
der Bäcker vorläufig jedem ein rechtschaffnes Stück — da es Lands- 
leute waren, sagte ich „eine richtige Bemme“ — geben sollte, wo- 
gegen sie am nächsten Morgen, wo vierzig Brote fertig sein würden, 
auf volle Befriedigung rechnen könnten. Sie waren nach einigem 
Widerspruch damit zufrieden, und die Nacht verging ohne weitere 
Störung. 
Sonntag, den 14., nach dem Mittagessen, wo Keudell er- 
zählte, daß er der Frau die Kuh — ich glaube, mit 50 Thalern — 
wirklich bezahlt habe, folgten wir dem Minister nach Herny.# Über 
uns wölbte sich ein tiefblauer Himmel, und von der starken Hitze 
flimmerte es über den Feldern. Bei einem Dorfe links von der 
Straße hielt hessisches Fußvolk Gottesdienst im Freien, die katho- 
lischen Soldaten in einem Ringe, die protestantischen ein Stück davon 
in einem zweiten um ihren Geistlichen. Letztere sangen: „Eine feste 
Burg ist unser Gott.“ 
  
1 Darüber Abeken S. 391: „Falkenberg oder Faulquemont, den 14. August 
1870 morgens früh. Als ich mich gestern abend niederlegen wollte, kam Stieber 
[Chef der Feldpolizeis, der nach Herny war, wo der Minister und der König 
liegen, mit einem Schmerzensschrei des erstern nach seinem Büreau von dort 
zurück, und in der Nacht ist nun noch eine zweite Ordonnanz gekommen mit einem 
zweiten Schmerzensschrei und einer Menge Telegramme in Chiffres. Ich kann 
mir diese für ihn sehr schmerzliche Situation nur höchst tragikomisch denken, den 
Minister vor den unentzifferbaren Telegrammen! Er wünscht deshalb, wir 
möchten so früh als möglich aufbrechen und zu ihm kommen; für Unterkommen 
würde er schon sorgen.“
	        
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