76 Drittes Kapitel 15. August
schleswig-holsteinischen Krieg bezahlen. Aber die Sache scheiterte
an der Abneigung des Königs vor einer solchen Transaktion.“
Montag, den 15., schien plötzlich und ungewöhnlich zeitig
wieder aufgebrochen werden zu sollen. Schon am frühen Morgen,
bald nach vier Uhr, wurde in die Stube im Erdgeschoß, in der
Abeken und ich schliefen, von einem der Kanzleidiener gemeldet:
„Erxzellenz geht gleich fort; die Herren sollen sich parat machen.“
Ohne Verzug stand ich auf und packte. Es war jedoch ein Miß-
verständnis: mit den Herren waren nur die Räte gemeint. Gegen
sechs Uhr fuhr der Kanzler mit Graf Bismarck-Bohlen fort, und
Abeken, Keudell und Hatzfeldt folgten ihm zu Pferde. 1 Wir andern
blieben vorläufig in Herny, wo es zunächst Beschäftigung genug
gab, und wo wir uns, als aufgearbeitet war, anderweit nützlich
machen konnten. Wiederholt gingen in dicken gelbgrauen Staub-
wolken große Züge von Infanterie durch das Dorf, unter anderm
drei preußische Regimenter, zum Teil Pommern, meist große schöne
Leute. Die Musik spielte: „Heil dir im Siegerkranz“ und „Ich
bin ein Preuße." Man sah den Leuten den Durst, den sie litten,
aus den Augen brennen, und so organisierten wir rasch eine kleine
Löschbrigade. In Eimern und Krügen trugen wir Wasser hinzu
und reichten es während des Marsches — denn sie durften nicht
anhalten —, so gut es gehen wollte, in die Reihen und Glieder
hinein, wo sich wenigstens der eine und der andre mit der hohlen
Hand oder einem Blechgefäß, das er bei sich trug, zu einem für
die nächste Zeit genügenden Schlucke verhelfen konnte.
Unser Wirt hieß Matthiote, seine Frau Marie; er sprach ein
wenig Deutsch, sie nur den schwer verständlichen französischen Dialekt
! Abeken S. 393, Herny, den 15. August 1870. Napoleonstag, nach-
mittags. „Heute früh wurden wir vor 6 Uhr alarmiert, ich fürchtete, es ginge
rückwärts, es war indes vorwärts; aber nichts als eine Rekognoszierung, von
der wir zurückgekehrt sind; um 6¼ zu Pferde gestiegen, um 3¼ hier wieder
abgestiegen, also neun Stunden zu Pferde. Wir ritten mit dem König auf An-
höhen, von denen man das ganze Terrain übersehen konnte; wir sahen die hohe
stolze Kathedrale von Metz ganz deutlich und hinter ihr die Staubwolken der
abziehenden Armee der Franzosen.“ Darüber berichtet ausführlich Verdy
du Vernois 72. 74 ff., auch über die abziehenden französischen Kolonnen auf
dem linken Moselufer, „auf die uns zuerst die Staubwolken und das Blitzen der
Waffen aufmerksam machten.“