Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

78 Drittes Kapitel 15. August 
es hieß, daß wir, „wenn es Gottes Wille,“ das Elsaß behalten 
würden. 
König und Kanzler hatten, wie man bei Tische erfuhr, eine 
Art Rekognoszierungstour bis ungefähr drei Viertelmeilen vor Metz 
gemacht, zu der sich auch der General von Steinmetz eingefunden 
hatte. Die außerhalb der Festung stehende französische Armee war 
am Tage vorher von diesem bei Courcelles mit Ungestüm ange- 
griffen und in die Stadt und in die Forts hineingeworfen worden. 
Man veranschlagte die Verluste der Feinde auf 4000 Mann; in 
einer Schlucht hatte man gegen vierzig tote Rothosen gefunden, die 
meisten davon durch den Kopf geschossen. 
Abends, als wir auf der Bank neben der Hausthür saßen, 
kam auch der Minister auf einen Augenblick zu uns. Während 
er einige Worte mit uns sprach, wollte er von mir eine Cigarre, 
aber Hofrat Taglioni (Chiffreur des Königs, früher bei der Ge- 
sandtschaft in Paris, jetzt verstorben) war flinker als ich mit der 
Tasche heraus. Schade, mein Kraut war erheblich besser als 
das seine. 
Beim Thee sprach der Kanzler unter anderm davon, daß er 
zweimal, in San Sebastian und bei Schlüsselburg,? in Gefahr ge- 
wesen sei, von Schildwachen erschossen zu werden, wobei man erfuhr, 
daß er auch etwas Spanisch versteht. Von der Schlüsselburger 
Affaire kam er auf folgende Anekdote, die ich als eine von ihm 
selbst erlebte nacherzähle, obwohl ich dabei einiges nicht genau 
hörte und so nicht verbürgen kann, daß sie ihm selbst und nicht 
einem andern passiert ist. Der Graf war einmal im Sommer- 
garten zu Petersburg und traf dort den Kaiser, mit dem er als 
immer gern gesehener Gesandter wenig beschränkt verkehren konnte. 
Sie gingen eine Strecke mit einander und kamen dabei an einen 
freien Rasenplatz, in dessen Mitte eine Schildwache stand. Bismarck 
  
1 Schon am 13. August in Herny hatte Bismarck beim Abendbrot zu 
Bismarck-Bohlen, Lehndorff, Redern und Stieber geäußert, seine feste Absicht 
sei, „Elsaß-Lothringen nie wieder herauszugeben.“ Poschinger, Tischge- 
spräche II, 48. 
2 Die kleine, militärisch jetzt bedeutungslose Festung auf einer Insel vor 
dem Ausfluß der Newa aus dem Ladogasee, an deren südlichem Ufer die gleich- 
namige Stadt liegt, ist Gefängnis für Staatsverbrecher.
	        
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