16. August Drittes Kapitel 79
erlaubte sich die Frage, was die da solle. „Er wußte es nicht.
Der Kaiser wandte sich an den Adjutanten, der es aber auch nicht
wußte. So fragen Sie die Schildwache. Die Schildwache sagt
nur: prikäs — er brauchte hier das russische Wort — »Es ist
befohlen.« Damit war uns ebenso wenig geholfen, und der Ad—
jutant muß sich weiter erkundigen, auf der Wache bei dem Offizier
und dann weiter hinauf. Aber immer dieselbe Antwort: Es ist
befohlen. Es wird in den Akten nachgesehen und nichts über die
Sache gefunden — es hat immer eine Schildwache da gestanden.
Endlich findet sich ein alter Lakai, der sich erinnert, daß sein Vater,
auch ein alter Lakai, ihm einmal gesagt habe, die Kaiserin Katha-
rina habe dort einst ein frühzeitiges Schneeglöckchen entdeckt und
Befehl gegeben, zu sorgen, daß es nicht abgepflückt werde. Man
wußte sich nicht besser zu helfen, als daß man eine Schildwache
dazu stellte, und das pflanzte sich fort.“!1
Man sprach dann von der uns abgeneigten Stimmung in
Holland und deren Ursachen, die zum Teil darauf zurückgeführt
wurden, daß der Minister van Zuylen sich als niederländischer
Gesandter in Berlin unangenehm zu machen verstanden habe, in-
folge dessen nicht nach Wunsch honoriert worden sei und so mit
Verdruß über uns weggegangen sein könnte.
Als wir uns, nachdem wir noch erfahren hatten, daß am nächsten
Tage nach Pont à Mousson aufgebrochen werden solle, schlafen
legten, glauhte ich Abeken ein Kompliment zu machen, indem ich
ihm sagte, der heutige Ritt sei doch von ihm bei seinen Jahren
eine ganz erstaunliche Leistung; man könne ihm dazu gratulieren.
Er aber nahms halb übel, er wollte nicht als alt angesehen sein,
und ich gelobte mir im stillen, mit meiner Bewunderung und meinen
Glückwünschen hinfüro vorsichtiger und sparsamer zu sein.
Am 16. August früh halb zehn Uhr, an einem schönen, aber
heißen Morgen setzten wir uns wieder in Bewegung. Ich fuhr im
Wagen der Räte, die zum Teil wieder ritten. Neben mir hatte
Landrat Jansen, Mitglied der Freikonservativen im Reichstag, ein
feiner, liebenswürdiger Mann, der mittlerweile eingetroffen war,
1 Dieselbe Geschichte erzählt Bismarck in den Gedanken und Erinnerungen I,
226 f., doch nicht als etwas Selbsterlebtes.