Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

17. August Drittes Kapitel 85 
wundete in ziemlicher Anzahl lagen. 1 Die Besorgung der Verwundeten 
hatte ein Oberarzt in den Händen gehabt, der kein Wasser zu be- 
schaffen gewußt und die Puten und Hühner, die auf dem Hofe 
herumgewandelt, aus einer Art Prüderie nicht für seine Kranken 
habe in Anspruch nehmen wollen. „Er sagte, er dürfe nicht,“ be- 
richtete der Minister weiter. „Vorstellungen in Güte, die ihm ge- 
macht wurden, halfen nichts. Da drohte ich ihm erst, die Hühner 
mit dem Revolver totzuschießen; dann gab ich ihm zwanzig Franken, 
dafür sollte er fünfzehn Stück kaufen. Zuletzt besann ich mich, 
daß ich ja preußischer General war, und jetzt befahl ich ihm, worauf 
er gehorchte. Das Wasser aber mußte ich selber suchen und in 
Fässern heranschaffen lassen." 
Inzwischen war der amerikanische General Sheridan in der 
Stadt eingetroffen. Er kam aus Chicago, wohnte am Markt in 
der Croix Blanche und hatte um eine Zusammenkunft mit unserm 
Kanzler gebeten. Ich begab mich auf dessen Wunsch zu ihm und 
sagte ihm, daß Graf von Bismarck ihn im Laufe des Abends 
erwarte. Der General, ein kleiner korpulenter Herr von etwa fünf- 
undvierzig Jahren mit dunkelm Schnurr= und Zwickelbärtchen, spricht 
den allerechtesten Yankeedialekt. Er hatte seinen Adjutanten Forsythe 
und als Dolmetscher den Journalisten Dr. Mac Lean bei sich, der 
der New Vork World als Kriegskorrespondent diente. 
In der Nacht waren wieder starke Durchmärsche von unserm 
  
1 Darüber Abeken, Pont a Mousson, den 18. August 1870, S. 397: 
„Als wir gestern bei der Suite des Königs ankamen, ritt Graf Bismarck gerade 
mit seinem Vetter [Bismarck-] Bohlen fort, nach dem eine Stunde entfernten 
Campement der [Garde-]Dragoner, bei dem seine beiden Söhne stehen, die so furcht- 
bar im Gefecht waren. Du kannst denken, wie uns das Herz schlug in banger 
Erwartung, und wie wir nach den Zurückkehrenden ausschauten. Nach 
stundenlangem Harren kam Bismarck-Bohlen zurück. Dem Chef war zuerst ge- 
sagt worden, sein zweiter Sohn Bill (Wilhelm) sei tot, aber es war nicht der 
Fall; er war beim Einhauen in ein Karree mit dem Pferde gestürzt, das er- 
schossen war, aber er war wieder aufgekommen und vorwärts, und der Vater 
traf ihn frisch und gesund. Seinen ältesten Sohn Herbert fand er in einem 
etwas entlegnen Lazarett in einem großen Gehöft, Mariaville, mit einer ganz 
ungefährlichen Fleischwunde im Schenkel; der Knochen nicht getroffen, die Kugel 
wieder hinausgegangen und gar keine Gefahr.“ Darüber erzählte Bismarck selbst 
einmal, Poschinger, Tischgespräche I, 83.
	        
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