Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

24. August Viertes Kapitel 105 
Fünfzehnten, Stanislaus Leszczynski, als Herzog von Lothringen 
und Bar zuweilen Hof hielt, und das in den letzten Jahren eine 
Kürassierkaserne gewesen war. Von den hintern Fenstern hat man 
eine hübsche Aussicht auf die unten langsam vorbeifließende Maas 
und die Baumgruppen am andern Ufer. Wir besuchten auch die 
Kapelle des Schlosses und deren „Fabrique,“ welches Wort Werk- 
stätte und zugleich Rumpelkammer zu bedeuten scheint. Hier 
sollten unsre Soldaten — es wären Husaren gewesen, meinte der 
Küster — verschiedne Störungen angerichtet, etlichen Heiligenbildern 
die Nase abgeschlagen, ein Marmormedaillon zerbrochen, den Kron- 
leuchter zertrümmert, das Archiv herumgestreut und einem alten 
Olbilde einen Säbelhieb versetzt haben. Vielleicht hatten sies in 
der Dunkelheit aus Versehen gethan; die beiden Franzosen aber 
waren darüber sehr entrüstet, und ich glaube, ich habe sie nicht 
überzeugt, wenn ich ihnen sagte, dergleichen Unfug wäre bei uns 
nicht üblich. Sonst waren die Leute, mit denen ich in Berührung 
kam, gar nicht übel. Besonders mein wackrer Wirt, der mir mehr 
als einmal versicherte, er betrachte mich nicht als Feind, sondern 
als Gast. Er gehörte zu der in Frankreich häufigen Klasse von 
Gewerbetreibenden, die sich, nachdem sie sich bis zum fünfzigsten 
Jahre redlich geplagt und sorgfältig gespart haben, mit einem Ver- 
mögen von den Geschäften zurückziehen, das sie in den Stand setzt, 
ihre übrige Lebenszeit mit der Pflege eines kleinen Blumen= und 
Obstgartens und mit Zeitungslektüre und Geplauder im Kaffee- 
hause sowie mit Besuchen bei Freunden und Nachbarn behaglich zu 
verbringen. Herr Gillot hatte übrigens zwei Söhne, von denen 
der eine in Cochinchina lebte, der andre aber irgendwo in Frank- 
reich Geistlicher war. Er hoffte, daß man, da jetzt die Rede davon 
wäre, auch Kleriker zum Kriegsdienst heranzuziehen, seinen Sohn, 
indem Soldaten von ein paar Wochen doch nichts leisten könnten, 
bloß zu Schreibereien, als notaire verwenden und nicht ins Gefecht 
schicken werde. 
Um zwölf Uhr fuhren wir von Commercy wieder ab, zunächst 
durch einen schönen Laubwald mit verschiednen Baumarten und viel 
Unterholz, Ephen, Schlingpflanzen und Rankengewächse, einem 
  
1 Fabrica bedeutet im Mittelalter die Werkstätte für einen Kirchenbau.
	        
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