Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

25. August Viertes Kapitel 109 
Wege fragen, antworten höflich. Nicht fern von unserm Quartier 
führt über den Fluß eine alte Steinbrücke, die in der Mitte ein 
Türmchen hat, das ohne Zweifel noch die Zeit gesehen hat, wo 
Lothringen und das Herzogtum Bar nicht zu Frankreich gehörten. 
Wir besuchen den Bahnhof, dessen Zimmer und Säle — man sagt, 
von den Franzosen selbst — garstig verwüstet worden sind. 
Gegen neun Uhr beginnt der Durchzug der Bayern. Sie 
marschieren über die Rue de la Banque und so vor der Wohnung 
des Königs und der unsern vorbei. Französische Zuschauer haben 
sich mehr, als uns bequem ist, auf den Trottoirs zu beiden Seiten 
der Baumreihen eingefunden, die die breite Straße einfassen. Grüne 
Chevaulegers mit rosenroten Kragen und Aufschlägen, dunkelblaue 
Kürassiere, unter denen viele stattliche Gestalten, Lanziers, Artillerie, 
Infanterie, Regiment auf Regiment geht der Marsch an dem Ober- 
feldherrn der deutschen Heere vorüber, stundenlang. Lautschallendes 
Hurra vor dem König, wobei die Reiter ihre Pallasche schwingen 
und das Fußvolk die rechte Hand emporhebt, gesenkte Fahnen, 
schmetternde Fanfaren der Reitertrompeten, Musikbanden der In- 
fanterie, von denen die eine den prachtvollen Hohenfriedberger Marsch 
spielt. Erst das Armeekorps des Generals von Hartmann, dann 
das von der Tanns, der nachher bei uns frühstückt. Wer das un- 
mittelbar nach dem Kriege von 1866 oder auch noch vor drei 
Monaten für möglich gehalten hättelt 
Mehrere Artikel für die Post, andre für den Telegraphen ge- 
schrieben. Unfre Leute rücken rasch vorwärts. Die Spitzen der 
deutschen Heersäulen stehen schon zwischen Chalons und Epernay. 
In Deutschland sind die vor einigen Tagen besprochnen drei Reserve- 
armeen in der Bildung begriffen. Die Neutralen? erheben gegenüber 
unfrer Absicht, uns durch Einverleibung französischen Gebiets eine 
vorteilhafte Westgrenze zu schaffen, zum Teil Schwierigkeiten. Nament- 
lich England, das, wie seither immer, mißgünstig Miene macht, uns 
die Hände zu binden. Besser scheinen die Berichte aus Petersburg 
  
1 Auch Abeken schildert das lebendig; der 25. August war übrigens 
gerade der Namenstag König Ludwigs II., und „die Bayern füllten ihn vom 
Morgen bis zum Abend mit Musik.“ S. 299 f. Brief aus Bar le Duc vom 
24. August. 
2 Vgl. G. u. E. II, 98 u. f.
	        
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