Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

122 Viertes Kapitel 28. August 
ziere verloren. Das war alles. übrigens bestätigte er noch, daß 
Craushaar gefallen sei. 
Als der Minister aufgestanden war, gab es wieder reichlich zu 
thun. Unsre Sache zeigte sich im besten Gedeihen. Ich konnte 
telegraphieren, daß sächsische Reiter bei Voussikres und Beaumont 
im Norden die zwölften Chausseurs zersprengt haben. Ich erfuhr 
und durfte andre erfahren lassen, daß der Entschluß, von Frank- 
reich Landabtretungen zu erzwingen, noch vollkommen feststand, 
und daß man unter keinen andern Bedingungen Friede schließen 
würde. Ein Artikel, den der Chef sanktionierte, begründete das, 
wie folgt: 
„Die deutschen Heere rücken seit den Siegestagen von Mars 
la Tour und Gravelotte unaufhaltsam vor, und damit scheint die 
Zeit gekommen, wo man sich die Frage vorzulegen hat, unter 
welchen Bedingungen Deutschland mit Frankreich Frieden schließen 
kann. Ruhm= und Eroberungssucht darf uns dabei nicht leiten, 
Großmut, wie sie uns vielfach von der ausländischen Presse ange- 
sonnen wird, ebensowenig. Lediglich der Hinblick auf die Sicherung 
Deutschlands, namentlich des Südens, vor neuen Angriffen der 
französischen Begehrlichkeit, wie sie sich seit Ludwig XIV. bis heute 
mehr als ein Dutzend mal wiederholt haben, und wie sie sich so oft 
wiederholen werden, als Frankreich sich stark genug dazu fühlt, hat 
uns bei unserm Verfahren zu bestimmen. Die ungeheuern Opfer 
an Geld und Blut, die das deutsche Volk in diesem Kriege gebracht 
hat, und alle unfre jetzigen Siege würden vergeblich sein, wenn 
Frankreichs Angriffskraft nicht geschwächt, Deutschlands Ver- 
teidigungskraft nicht gestärkt würde. Das deutsche Volk hat ein 
Recht, dies zu verlangen. Begnügte man sich mit einem Dynastie= 
wechsel, mit einer Kontribution, so wäre damit nichts gebessert, so 
wäre nicht gehindert, daß dieser Krieg nur eine Reihe andrer er- 
öffnete, zumal der Stachel der jetzigen Niederlage den Stolz der 
Franzosen treiben würde, die deutschen Siege wett zu machen. Die 
Kontribution wäre bei dem verhältnismäßig großen Reichtume 
Frankreichs bald verschmerzt, jede neue Dynastie würde, um sich 
zu halten, das Mißgeschick der jetzt herrschenden durch Erfolge über 
uns auszugleichen suchen. Großmut ist eine sehr achtbare Tugend, 
die aber in der Politik in der Regel keinen Dank erntet. Wir
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.