Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

130 Fünftes Kapitel 30. August 
und da war es zu heiß. Ich fragte in einem andern nach — voll 
von Verwundeten. In einem dritten — auch voll von Verwun— 
deten. Ebenso hieß es in einem vierten; ich ließ mich aber hier 
nicht abweisen. Ich sah oben ein Fenster, wo es dunkel war. 
»Was ist denn da oben?« erkundigte ich mich. — »Lauter Ver— 
wundete.« — »Das wollen wir doch untersuchen«, und ich ging 
hinauf, und siehe da, drei leere Bettstellen mit guten und, wie es 
schien, ziemlich reinlichen Strohmatratzen. Wir machten also hier 
Nachtquartier, und ich schlief ganz gut.“ 
„Ja — hatte sein Vetter, Graf Bismarck-Bohlen, gesagt, als 
der Kanzler uns die Historie in Pont a Mousson das erstemal und 
kürzer erzählte —, du schliefst gleich ein und ebenso Sheridan, der 
sich — ich weiß nicht, wo ers hergekriegt — ganz in weiße Lein- 
wand eingewickelt hatte, und der in der Nacht von dir geträumt 
haben muß; denn ich hörte verschiedne male, wie er murmelte: 
O dear count!“ — „Hm, und der Erbgroßherzog, der sich mit 
guter Manier in die Sache fand und überhaupt ein angenehmer 
und liebenswürdiger junger Herr ist,“ bemerkte der Minister. — 
„Das beste bei der Geschichte war übrigens — sagte Bohlen —, 
daß eigentlich gar keine solche Not um Unterkommen gewesen wäre. 
Denn unterdessen hatten sie entdeckt, daß nahe dabei ein elegantes 
Landhaus für Bazaine in Stand gesetzt worden war — mit guten 
Betten, Sekt im Keller und was weiß ich alles —, höchst fein, 
und da hatte der Kriegsminister sich einlogiert und hatte ein opu- 
lentes Abendmahl mit seiner Gesellschaft gefunden."“!1 
Der Kanzler erzählte auf der Fahrt nach Busancy weiter: 
„Ich hatte den ganzen Tag nichts als Kommißbrot und Speck 
gehabt. Jetzt kriegten wir ein paar Eier — fünf oder sechs. Die 
andern wollten sie gekocht; ich aber esse sie gern roh, und so stahl 
ich mir ein paar und zerschlug sie an meinem Degenknopf, was 
mich sehr erfrischte. Als es dann wieder Tag geworden war, genoß 
ich das erste Warme seit sechsunddreißig Stunden — es war nur 
eine Erbswurstsuppe, die mir General Göben gab, sie schmeckte 
aber ganz vortrefflich.“ 
  
1 Roons Denkwürdigkeiten III4, 189, Brief Roons an seine Frau, Pont 
d Mousson, 20. August 1870.
	        
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