140 Fünftes Kapitel 31. August
Eine Strecke weiter, an einem Feldwege, der auf die Chaussee
vor mir zulief, war wieder einer auf den Rücken hingestreckt, der,
wie ich mir ihn näher besah, die Augen verdrehte, und dessen
Brust noch atmete, obwohl eine deutsche Spitzkugel ihn in die Stirn
getroffen hatte. Es mochten auf einem Raume von fünfhundert
Schritt ins Gevierte wohl anderthalbhundert Leichen sein, darunter
nicht zehn oder zwölf von den unfrigen.#
Ich hatte wieder einmal genug von solchen Bildern und beeilte
mich, nach Beaumont und zu unserm Wagen zu kommen. Auf
dem Wege dorthin, kurz vor den ersten Häusern des Städtchens,
rechts von der Landstraße, sah ich in einem roten Steinbruche eine
Menge gefangner Franzosen. „Circa siebenhundert,“ sagt der
Leutnant, der sie mit einem Detachement bewacht, und der mich
aus einem Fasse mit trübem bayrischen Biere bewirtet, wofür ich
ihm mit einem Schlucke Kognak aus meiner Feldflasche dankbar
bin. Weiterhin auf der Chaussee ein verwundeter junger Offizier
auf einem Wagen, den Leute aus seiner Kompagnie mit Hände-
schütteln begrüßen. Am Markt und um die etwas erhöht gelegne
Hauptkirche des Ortes wieder zahlreiche gefangne Rothosen. Darunter
höhere Chargen. Ich frage einen sächsischen Jäger, wo die Wagen
des Königs seien. „Sind schon fort — vor einer Viertelstunde —
dort hinaus.“ — Also verspätet. Fatal! Ich eile in der ange-
gebnen Richtung bei sengender Hitze die Pappelchaussee weiter nach
dem Dörfschen hinauf, das am Abend vorher gebrannt hatte, und
frage die Soldaten, die hier stehen. „Sie sind eben durch.“ Endlich
am Rande des Waldes hinter dem letzten Hause, wo eine große
Menge tote Bayern und Franzosen rechts und links von den
Straßengräben liegen, sehe ich den Wagen des Chefs halten.
Er freute sich offenbar, daß ich wieder da war. „Na, da ist
er ja,“ sagte er. „Ich wollte schon nach Ihnen zurückschicken.
Ich dachte aber, wenns ein andrer wäre! Der Doktor kommt nicht
um. Der bleibt zur Not des Nachts bei einem Wachtfeuer und
fragt sich hernach schon wieder zu uns."
Er erzählte dann, was er inzwischen gesehen und erlebt hatte.
Er hatte die Gefangnen im Steinbruche auch in Augenschein ge-
1 Sehr anschaulich darüber auch Verdy, 133 f.